E-Zigaretten Lieber keinen Dampf machen
Seit rund fünf Jahren werden E-Zigaretten als vermeintlich harmlose Alternative zu Tabakzigaretten vermarktet. Obwohl es eine große Fülle an unterschiedlichen Modellen gibt, funktionieren alle E-Modelle nach dem gleichen Prinzip: Das enthaltene Liquid wird über einen Docht zu einer Heizwendel gezogen, vaporisiert und als Dampf inhaliert. Hauptbestandteile der Liquids sind Glycerin und Propylenglykol in unterschiedlichen Mengenverhältnissen. Zusätzlich können variable Mengen an Nikotin sowie Duft- und Aromastoffe beigemischt sein.
Doch viele dieser Inhaltsstoffe lassen Lunge und Atemwege offenbar nicht kalt, berichten Dr. Lauren Davis von der Universität Birmingham und Kollegen. So haben sie beispielsweise einen Einfluss auf Entzündungsprozesse, die wiederum eine entscheidende Rolle in der Pathogenese chronischer Lungenerkrankungen spielen. In Studien mit E-Zigaretten wurde bereits nach kurzer Expositionszeit eine fehlregulierte Zytokinreaktion in den Atemwegen nachgewiesen. Dahingegen scheint die Rekrutierung von Entzündungszellen im Vergleich zu Tabakzigaretten deutlich geringer auszufallen – zumindest innerhalb der Beobachtungszeiträume von bis zu vier Monaten. Um zuverlässige Aussagen über den Langzeitverlauf treffen zu können, sind umfangreichere Längsschnittstudien nötig.
Mehr Infektionen und stärkere Erregervirulenz durch Liquids
In der Genese von Lungenschäden haben auch Proteinasen Bedeutung. Normalerweise halten Antiproteinasen diese hydrolytischen Enzyme in Schach, bis sie für Gewebereparaturen oder antimikrobielle Aktionen benötigt werden. E-Zigaretten stören das Gleichgewicht: Sie fördern die Freisetzung von Proteinasen wie Neutrophile Elastase oder Matrix Metalloproteinase 9, wodurch sie zur Entwicklung von COPD und Emphysem beitragen können. Die verringerte Resistenz gegenüber Pathogenen bzw. das damit einhergehende erhöhte Risiko für Atemwegsinfektionen ist ein weiterer Treiber für Lungenerkrankungen, der sowohl in Zusammenhang mit Tabakrauchen als auch mit dem Konsum von E-Zigaretten beobachtet werden konnte. In einer Studie an Mäusen mit Streptococcus-pneumoniae-Infektion erhöhte sich durch die zweiwöchige Exposition gegenüber dem Dampf von E-Zigaretten die bakterielle Last in den Atemwegen. Weiterhin hatten Mäuse, die zuvor mit dem Influenza-A-Virus vom Typ H1N1 infiziert worden waren, eine verzögerte Genesung und eine verringerte Überlebensrate.
Offenbar verstärken Inhaltsstoffe der Liquids auch die Virulenz einiger Pathogene. Ein Beispiel sind in Dampfextrakten gezüchtete Staphylokokken, die in Mäusen sowohl besser Biofilme bilden als auch in die Epithelzellen des Bronchialsystems eindringen konnten.
Daneben scheinen E-Zigaretten gesundheitsgefährdende Prozesse in der Lunge hervorzurufen, die man von Tabakzigaretten bislang noch nicht kannte. Im Mausmodell wurde gezeigt, dass der Dampf die Lipidhomöostase sowie die Produktion von Surfactant-Proteinen in alveolären Makrophagen beeinträchtigt. Langfristig könnten diese Prozesse zu irreversiblen parenchymatösen Schäden des Lungengewebes und reduziertem Gasaustausch führen. Zudem gibt es mehrere Fallberichte von Lipidpneumonien in Zusammenhang mit dem Gebrauch von E-Zigaretten. Dieses Risiko droht offenbar vor allem, wenn den Liquids THC oder Vitamin-E-Acetat beigefügt wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass chronisches „Dampfen“ die Lunge und die Atemwege belastet, zum Teil durch oxidativen Stress, zum Teil durch entzündliche Prozesse. Doch viele Mechanismen sind noch völlig unklar. Daher fordern die Autoren weitere In-vitro- und In-vivo-Studien sowie Kohortenstudien.
Quelle: Davis LC et al. Eur Respir Rev 2022; 31: 210121; DOI: 10.1183/16000617.0121-2021