Gestörte Fruchtbarkeit Männliche Fertilität hängt von vielen äußeren Faktoren ab

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Der negative Einfluss des Zigarettenrauchens auf die Spermaqualität ist inzwischen gut gesichert. Der negative Einfluss des Zigarettenrauchens auf die Spermaqualität ist inzwischen gut gesichert. © Syda Productions – stock.adobe.com

Bei männlichen Fertilitätsstörungen spielen Umweltfaktoren und der Lebensstil eine wesentliche Rolle. ­Vieles davon lässt sich beeinflussen. In diesem Sinne können Hausärzte junge Männer zum Thema Fruchtbarkeit beraten.

Gut dokumentiert ist der Einfluss ionisierender Strahlung auf die Hodenfunktion. Eine vorübergehende Oligozoospermie (ca. sechs Monate) droht ab einer kumulativen Dosis von 0,1–0,3 Gy. Nach der Applikation von > 3 Gy ist mit einer irreversiblen Azoospermie zu rechnen, schreiben Prof. Dr. Hans-Christian Schuppe vom Universitätsklinikum Gießen Marburg und Prof. Dr. Frank-Michael Köhn, München. 

Auch eine genitale Hitzeexposition mindert die Fertilität, denn für eine ungestörte Spermatogenese muss die Hodentemperatur um 2–3 °C unter der Körperkerntemperatur liegen. Deshalb ist schon eine überwiegend sitzende Tätigkeit zum Beispiel als Kraftfahrer riskant. Häufige Saunabesuche und Wannenbäder können die Samenzellen im Ejakulat ebenfalls reduzieren. Selbst enge Unterwäsche kann sich negativ auswirken, dieser Effekt ist aber im Vergleich zu einer sedentären Lebensweise gering.

Studien wecken Zweifel an Harmlosigkeit von Handys

Fertilitätsstörungen durch elektromagnetische Strahlung mit hoher Feldstärke (z.B. Radaranlagen) beruhen auf einer testikulären Temperaturerhöhung. Ein negativer Einfluss von Mobiltelefonen galt bisher als nicht ausreichend gesichert. Neuere Metaanalysen sprechen nach Einschätzung der Autoren für eine mögliche Schädigung. 

Eine wichtige Rolle spielen beispielsweise beruflich genutzte Stoffe und Umweltchemikalien (s. Tabelle). So wurde etwa für DDT und seine Meta­boliten eine Reduktion von Spermienzahl, -motilität und -morphologie sowie die Beeinträchtigung der DNA-Integrität gezeigt. Ebenso kritisch sind organische Lösungsmittel auf der Basis von Glykolether und Kohlenstoffdisulfid. G­esichert ist die Reproduktionstoxizität von Blei und Quecksilber sowie deren Verbindungen. Wahrscheinlich gilt dies auch für Cadmium, Mangan und andere Schwermetalle. 

Kritische Chemikalien (Beispiele) 

Schwermetalle

Blei- und Quecksilberverbindungen

Lösungsmittel

Glykolether, Kohlenstoffdioxid

Pestizide, Herbizide

Ethylendibromid, Dibromchlorpropan

Chlororganika

Dioxine, polychlorierte Biphenyle, DDT

Amide  

Acrylamid

Weichmacher

Phtalate, Bisphenol A

nichtionische Tenside

 Alkylphenole

synthetische Östrogene

Diethylstilbestrol, orale Kontrazeptiva

nach Schuppe et al.

Eine große Bedeutung haben Stoffe mit hormonähnlicher Wirkung, wozu auch viele Industrie­chemikalien zählen. Sie werden aufgrund ihrer östro­genähnlichen, antiöstrogenen und antiandrogenen Wirkung endokrine Disruptoren genannt. Ihre Reproduktionstoxizität ist schwer einschätzbar. So findet sich bei über 90 % der Bewohner westlicher Länder Bisphenol A im Urin, aber die Werte liegen unterhalb der als bedenklich eingestuften Konzentrationen. 

Eine erhöhte Feinstaubbelastung in der Atemluft ist möglicherweise ebenfalls mit einer verschlechterten Spermienqualität und -funktion assoziiert. Epidemiologische Untersuchungen zum Einfluss von Mikroplastik fehlen bisher. Tier­experimente deuten darauf hin, dass diese Partikel auch in die Hoden gelangen können und dort eventuell Gewebsschäden verur­sachen. 

Der negative Einfluss des Zigarettenrauchens auf die Spermaqualität ist inzwischen gut gesichert. Auch nach In-vitro-Fertilisation (IVF) oder intra­zytoplasmatischer Spermien­injektion (ICSI) wurde eine reduzierte Schwangerschaftsrate gesehen. Nach beendetem Nikotin­abusus dauert es zwei Jahre, bis sich die Befruchtungsrate wieder erholt. Unklar ist derzeit noch, ob E-Zigaretten die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.

Ein riskanter Alkoholkonsum ist schon bei jungen Männern mit einem reduzierten Hodenvolumen verbunden. Beim Genuss von mehr als 20 Drinks pro Woche dauert es signifikant länger bis eine Gravidi­tät eintritt. Auch ein moderates Trinkverhalten (> 5 Drinks bei einer Gelegenheit bzw. < 25 Drinks pro Woche) beeinträchtigt bereits die Spermaqualität. Zum Koffein zeigen neuere Metaanalysen allenfalls einen geringfügig negativen Einfluss. 

Die Datenlage zur Wirkung von illegalen Drogen ist derzeit noch uneinheitlich. Ungünstige Effekte von Marihuana auf die Spermienzahl konnte bei ungewollt kinderlosen Männern nicht ermittelt werden. Für Kokain liegen keine gesicherten Ergebnisse zur Fertilität vor. Opiate wie Morphin, Heroin und Methadon können durch ihren Einfluss auf die GnRH-Sekretion einen Hypogonadismus mit beeinträchtigter Sexualfunktion auslösen. 

Bei Kinderwunsch kein Finasterid anwenden

Diverse Medikamente werden inzwischen zur Leistungssteigerung oder aus Lifestyle-Gründen eingenommen, darunter Benzodiazepine und freiverkäufliche Analgetika. Daten zum Einfluss auf die Reproduktionsfähigkeit fehlen weitgehend, am häufigsten ist die sexuelle Funktion gestört. Das zur Behandlung der androgenetischen Alopezie eingesetzte Finasterid kann die Spermienqualität beeinträchtigen und sollte deshalb bei Kinderwunsch abgesetzt werden. 

Ein erhöhter BMI ist ebenfalls mit einer verringerten Fertilität assoziiert. Neuere Studien sprechen dafür, dass eine Gewichtsreduktion und gesunde Ernährung die Spermaqualität erhöht. Ebenfalls als nützlich erwiesen hat sich eine verstärk­te körperliche Aktivität (z.B. dreimal wöchentlich eine Stunde). Intensives Training kann dagegen die Fruchtbarkeit verschlechtern. 

Quelle: Schuppe HC, Köhn FM, Urologie 2022; 61: 1271-1228; doi: 10.1007/s00120-022-01951-z