Rektumkarzinom Dorthin strahlen, wo sonst kein Licht hinkommt
Die Niedrig-Energie-Kontakt-Brachytherapie (Contact X-ray Brachytherapy, CXB) ermöglicht die Anwendung einer besonders hohen Strahlendosis bei einem insgesamt kleinen Zielvolumen, erläuterte Prof. Dr. Arthur Sun Myint vom Clatterbridge Cancer Center und der Universität Liverpool. In der OPERA-Studie erfolgte der CXB-Boost mit 90 Gy in drei Fraktionen über vier Wochen mit einem Bestrahlungsvolumen von weniger als 5 ccm. Das führt zu weniger Kollateralschäden und Nebenwirkungen, meinte der Referent. Der Standardboost mit einer konventionellen externen kurativen Strahlentherapie (external beam radiation therapy, EBRT) im Vergleichsarm erfolgte dagegen mit 9 Gy in fünf Fraktionen und umfasste ein Volumen von 1.000–1.500 ccm.
Die Boosts wurden zusätzlich zur neoadjuvanten Strahlenchemotherapie* bei Patient:innen mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom eingesetzt. Personen, die eine Komplettremission (cCR) erreichten, wurden im Rahmen der Studie in ein Watch&Wait-Programm überführt. Lag ein Residuum vor oder kam es zum Rezidiv, war eine chirurgische Therapie vorgesehen – ob lokale Resektion oder totale mesorektale Exzision (TME).
Prof. Myint präsentierte die Ergebnisse nach median 38,2 Monaten. Nach 24 Wochen erreichten 64 % vs. 92 % der Betroffenen im Standard- vs. CXB-Arm eine cCR. Nach mehr als drei Jahren hatten sich 47 % der Teilnehmenden einem chirurgischen Eingriff unterzogen – in 59 % der Fälle war dieser eine TME, in 41 % eine Lokalresektion –, davon 46 vs. 20 Personen in der Kontroll- vs. Prüfgruppe. Die TME-Rate war nach EBRT-Boost doppelt so hoch wie nach CXB-Boost. Ein Stoma hatten 15 % vs. 10 % der Erkrankten erhalten.
Nach Tumorgröße stratifiziert
Der CXB-Boost im Prüfarm erfolgte im Fall von Tumoren < 3 cm vor der Radiochemotherapie, bei größeren Geschwulsten dagegen erst danach. Der Applikator der CXB ermögliche nur eine lokale Bestrahlung von 3 cm im Durchmesser, erläuterte Prof. Myint.
Organerhalt mit CXB-Boost
Die Rate des 3-Jahres-Überlebens mit Organerhalt – primärer Endpunkt der Studie – betrug mit EBRT- vs. CXB-Boost 57 % vs. 79 % (p = 0,0026). Am häufigsten gelang der Organerhalt mit CXB bei Rektumkarzinomen eines Durchmessers von < 3 cm (97 % vs. 63 % ≥ 3 cm).
Die Ergebnisse der OPERA-Studie stützen die Machbarkeit nicht-operativer, organerhaltender Therapiestrategien bei Rektumkarzinomen im Stadium cT2–cT3a–b, resümierte der Experte. Es zeige sich auch, dass dies die Chance auf Heilung nicht beeinträchtigt, wenn doch eine Salvage-Operation notwendig ist. Von besonderem Interesse sei das Vorgehen für Patient:innen, die weder einen chirurgischen Eingriff noch ein Stoma wünschen.
* Radiatio mit 45 Gy in 25 Fraktionen über fünf Wochen plus Capecitabin 825 mg/m²
Quelle:
Myint SM et al. ASCO GI 2023; Abstract 6