Mit oder ohne Assistenz Worin unterscheiden sich Suizide?

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Der assistierte Suizid erfolgte in allen Fällen medikamentös und alle Betroffenen verstarben in der häuslichen Umgebung bzw. einer Pflegeeinrichtung. Der assistierte Suizid erfolgte in allen Fällen medikamentös und alle Betroffenen verstarben in der häuslichen Umgebung bzw. einer Pflegeeinrichtung. © Prostock-studio – stock.adobe.com

Seit vier Jahren ist in Deutschland der assistierte Suizid erlaubt. Münchner Kollegen haben nun untersucht, wie sich die Fälle der unterstützten Selbsttötung von konventionellen unterscheiden.

Der assistierte Suizid ist in Deutschland seit 2020 erlaubt, vorausgesetzt, der Inte­ressent kann seine Entscheidung frei verantworten. In einer Studie wurde geprüft, ob sich diese Fälle von konventionellen Suiziden unterscheiden. Die Untersuchung basiert auf den Todesbescheinigungen aller Münchner Sterbefälle der Jahre 2020–2023 sowie den Obduktionsscheinen und staatsanwaltlichen Genehmigungen zur Bestattung.

Im erfassten Zeitraum verstarben 60.357 Personen, 803 Fälle hatte man als Selbsttötung eingestuft. In  77 Fällen (9,6 %) war der Suizid mit Assistenz erfolgt und in 726 Fällen (90,4 %) auf herkömmliche Arten, so PD Dr. Sabine Gleich vom Gesundheitsreferat der LH München und Koautoren.

Menschen, die sich beim Suizid helfen ließen, waren mehrheitlich weiblichen Geschlechts und hochbetagt, ein Viertel von ihnen hatte studiert. Außerdem waren die Mitglieder dieser Gruppe fünfmal häufiger pflegebedürftig als die Personen mit konventionellem Suizid und sie lebten eher in einem Altersheim oder einer ähnlichen Einrichtung. Auch der Anteil der Personen mit vorausgegangenem Suizidversuch lag bei ihnen etwas höher (9,1 % vs. 6,3 %).

Demenz und Depressionen spielen eine Rolle

Psychiatrische oder neurologische Erkrankungen waren in etwas mehr als der Hälfte der assistierten Fälle in der Todesbescheinigung vermerkt, bei den anderen Patienten in einem Drittel. Beim unterstützten Suizid dominierten Depressionen, neurodegenerative und demenzielle Leiden, Im konventionellen Kollektiv waren es Suchterkrankungen, Schizophrenie sowie ebenfalls Depressionen. An einem Malignom litten 23 % der Menschen mit assistierter Selbsttötung und 7 % der anderen.

Der assistierte Suizid erfolgte in allen Fällen medikamentös und alle Betroffenen verstarben in der häuslichen Umgebung bzw. einer Pflegeeinrichtung. Für die konventionelle Form wurden überwiegend Strangulation bzw. Erhängen oder ein Sprung aus großer Höhe sowie Intoxikationen gewählt. Die Vergiftung mit Arzneimitteln rangierte bei Männern auf Position fünf und bei Frauen auf Rang zwei. In der häuslichen Umgebung verstarben rund 60 % derer, die allein aus dem Leben schieden. Mit je knapp 20 % folgten Krankenhaus und öffentlicher Raum.

Der Suizidanteil unter allen Münchner Sterbefällen lag im Studienzeitraum bei 1 %, was den bundesweiten Daten entspricht. Die Zahl der assistierten Selbsttötungen stieg konstant an bis auf 40 Fälle im Jahr 2023. Die wichtigste Gemeinsamkeit zwischen beiden Formen des Freitodes waren neben einer diagnostizierten Depression Suizidversuche in der Anamnese.

Quelle: Gleich S et al. Rechtsmedizin 2024; DOI: 10.1007/s00194-024-00701-z


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