Myelofibrose Die Qual der Wahl
Noch immer ist die Prognose bei Myelofibrose eingeschränkt. Nach einer monozentrischen Analyse lag das mediane Gesamtüberleben im Zeitraum von 2011 bis 2020 bei 63 Monaten, berichtete Dr. Lino Teichmann, Universitätsklinikum, Bonn. Damit war das mediane OS immerhin ein gutes Jahr länger als in der Dekade zuvor (48 Monate). Ein Durchbruch ist das aber nicht, stellte Dr. Teichmann fest.
Ob der Überlebenszeitgewinn allein auf die Einführung der JAK-Inhibitoren zurückzuführen ist, muss offen bleiben. In derselben Zeit stieg auch die Zahl der allogenen Stammzelltransplantationen wegen einer Myelofibrose an. Ergebnisse zum OS unter JAK-Inhibitoren lassen sich aus den Zulassungsstudien nur aus nachträglichen Analysen ableiten. Der primäre Endpunkt war meist das Milzansprechen, ein wichtiger sekundärer Endpunkt die Reduktion der myelofibrosetypischen B-Symptome.
Eine explorative Auswertung der gepoolten Daten der Ruxolitinib-Zulassungsstudien COMFORT-1 und -2 belegt eine 30%ige Verbesserung des OS von Patient:innen mit Myelofibrose mit Intermediär-2- oder hohem Risiko im Vergleich zu Placebo oder einer besten anderen verfügbaren Therapie (BAT). Die frühe Behandlung mit dem JAK-Inhibitor scheint relevant: Erkrankte, die in den Studien von Beginn an Ruxolitinib erhalten hatten, wiesen ein besseres OS auf als diejenigen, die mit der Substanz erst nach einem Cross-over behandelt worden waren.
Therapieentscheidungen bei Myelofibrose
Um die Entscheidung für einen JAK-Inhibitor zur Therapie der Myelofibrose treffen zu können, müssen laut Dr. Teichmann die hämatologischen Charakteristika der zu Behandelnden berücksichtigt werden. Bei Patient:innen mit Myelofibrose und transfusionsabhängiger Anämie sollte Momelotinib zum Einsatz kommen. Dieser Wirkstoff hemmt nicht nur JAK-2, sondern auch den Activin-A-Rezeptor Typ 1 (ACVR1), wodurch eine Anämie reduziert wird.
Liegt keine transfusionspflichtige Anämie vor, ist die Thrombozytenzahl entscheidend: Liegt sie zwischen 25–50 × 109 ist nur Momelotinib in randomisiert-kontrollierten Studien untersucht und zugelassen. Im Fall von höheren Thrombozytenzahlen kommen im Prinzip alle drei JAK-Inhibitoren infrage. Dr. Teichmann bevorzugt aufgrund der langen Erfahrung in dieser Situation Ruxolitinib.
B-Symptome erfolgreich reduzieren
Sowohl Ruxolitinib als auch Fedratinib und Momelotinib reduzieren die Splenomegalie bei Myelofibrose und auch die mit der Erkrankung einhergehenden B-Symptome. Im direkten Vergleich gingen die Symptome mit Ruxolitinib deutlicher zurück als mit Momelotinib.
Quelle:
Mesa RA et al. J Clin Oncol 2017; 35: 3844–3850; DOI: 10.1200/JCO.2017.73.4418
Für diesen JAK-Inhibitor wurde auch der Prognosescore RR6 anhand der Kriterien Dosis, Erythrozytenkonzentrat-Transfusionen und tastbare Milzgrößenreduktion etabliert. Ist der RR6 nach sechs Monate Ruxolitinib-Therapie hoch, haben die Erkrankten eine ungünstige Prognose und sollte ein frühzeitiger Wechsel der Therapie erwogen werden.
Erleiten die Betroffenen einen Progress unter einem der JAK-Inhibitoren oder bei Intoleranz kann zu einem anderen JAK-Inhibitor gewechselt werden. Liegt eine progressive Anämie vor, plädierte Dr. Teichmann für Momelotinib, im Fall einer progressiven Splenomegalie für Fedratinib. Als Alternative muss auch an eine allogene Stammzelltransplantation oder eine Studienteilnahme gedacht werden.
Wichtig für JAK-Inhibitoren ist die Berücksichtigung der jeweiligen Toxizität. Unter Ruxolitinib steigt die Häufigkeit von Herpes zoster mit der Dauer der Therapie immer weiter. Nach vier Jahren sind 25 % der Behandelten betroffen. Das rechtfertigt laut Dr. Teichmann die prophylaktische Impfung dieser Patient:innen.
Vor einer Behandlung mit Fedratinib sollte der Thiaminspiegel bestimmt und gegebenenfalls durch Substitution ausgeglichen werden. Mit dieser Prophylaxe sind keine Wernecke-Enzephalopathien mehr aufgetreten, derentwegen eine erste Phase-3-Studie gestoppt worden war. Eine Herausforderung können laut Dr. Teichmann gastrointestinale unerwünschte Ereignisse unter Fedratinib sein, die seiner Erfahrung nach trotz Antiemetika häufig einen Grad 1–2 erreichen.
Quelle:
Teichmann L et al. DGHO-Jahrestagung 2024; Vortrag V847