Hausmittel machen Krebstherapien erträglicher

Autor: Maria Fett

Gegen Übelkeit können Akupressur-Armbänder helfen. Die Noppe auf der Innenseite drückt auf den Nei-Kuan-Punkt (links). Basilikum, Rosmarin und Oregano wirken appetitanregend – nicht nur beim Anblick, sondern vor allem im Mund (rechts). Gegen Übelkeit können Akupressur-Armbänder helfen. Die Noppe auf der Innenseite drückt auf den Nei-Kuan-Punkt (links). Basilikum, Rosmarin und Oregano wirken appetitanregend – nicht nur beim Anblick, sondern vor allem im Mund (rechts). © EBVertriebs GmbH; Moving Moment – stock.adobe.com

Übelkeit, Fatigue, Obstipation und andere Nebenwirkungen machen so manche Krebstherapie zur Qual. Doch es braucht gar nicht viel, um die Beschwerden zu lindern. Häufig helfen schon Aromen, Obst oder etwas Druck auf die richtige Stelle.

Naturheilkunde zu konventionellen Therapien verhält sich wie Großbritannien zur Europäischen Union. Kontrahenten, die scheinbar nicht miteinander können – oder wollen. Wer sich jedoch mit beidem intensiver beschäftigt und der Gegenseite offen begegnet, wird erkennen, wie eines vom anderen profitieren kann. Jedenfalls macht das Team der Naturheilkunde und Integrativen Medizin am Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus diese Erfahrung immer wieder.

Sehr saure, scharfe, heiße und harte Speisen besser meiden

Es bietet ihren Krebspatienten neben der klassischen Tumorbehandlung eine Reihe komplementärmedizinischer Ansätze. „Die meisten sind wissenschaftlich sehr gut belegt“, betonte Professor Dr. Walter­ Erich­ Aulitzky­. Er leitet die Abteilung Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin des Krankenhauses und arbeitet eng mit den Kollegen der Integrativen Medizin zusammen. Deren leitende Ärztin Dr. Marcela­ Winkler­ unterstrich, wie wichtig die Abgrenzung zur Alternativmedizin sei. Das zeigt sich schnell, vergleicht man nur die Fünf-Jahres-Überlebensraten von Krebspatienten unter ausschließlich alternativen (54,7 %) versus konventionelle Methoden (78,3 %). „Die Maßnahmen, die wir anbieten, sind kein Ersatz der onkologischen Therapie. Sie begleiten diese, machen die Behandlung aber erheblich leichter.“

Übelkeit und Erbrechen

Fest ins Konzept gehört die progressive Muskelentspannung nach Jacobson, genauso wie Akupunktur und -pressur (siehe obere Abbildung). Vielfältig verwenden lassen sich Duftsticks, an denen die Patienten nach Bedarf riechen. Nur nicht zu oft, Stichwort Konditionierung. Der Geruch wird dann sofort mit etwas Negativem verbunden. Ingwer und (Pfeffer-)Minze helfen nachweislich gegen Nausea, Dr. Winkler schwört außerdem auf Zitrone. Ingwer entfaltet auch als Tee oder in Kapseln genommen seinen antiememetischen Effekt. Ein bis zwei Tassen täglich bzw. 500–1000 mg/d sollten es dann sein.

Beruhigungsmittel wie Morphin, Diazepam, Lorazepam und Alprazolam können mit der Aromatherapie interagieren, Asthma und Allergien gelten als Kontraindikationen.

Tipps gegen Übelkeit

  • nur bei Appetit essen
  • währenddessen den Oberkörper hochlagern
  • nach den Mahlzeiten ausruhen
  • Gerüche und Düfte vermeiden, z.B. Müll und Speisereste entsorgen, lüften
  • ablenken und nicht auf die Übelkeit konzentrieren
  • mit Zitronenwasser den Mund ausspülen

Appetitlosigkeit

Kardamom als Bonbon oder Riechstick regt laut Dr. Winkler den Appetit an. In der Küche sollten Patienten vermehrt zu Kräutern wie Basilikum, Rosmarin und Oregano greifen. Curry und Ingwer klappen auch. Was außerdem helfen kann, ist, mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt einzunehmen, am besten in einer angenehmen Umgebung. Aus dem Fundus der Naturheilkunde riet die Ärztin zu (bitteren) Tees mit Wermut und Scharfgarbenkraut. Oder Amaratropfen, die sich aus Gelbem Enzian, Chinarinde, Pomeranzenschale und Zimtrinde zusammensetzen. Dosierungsempfehlung: 3 x 20 Tropfen, je 20 Minuten vor den Mahlzeiten.

Fatigue und Schlafstörungen aktiv begegnen

Anders als vielleicht angenommen überzeugen in Sachen Fatigue weit mehr naturheilkundliche Verfahren mit Evidenz. Eindrückliches Beispiel dafür sind die Erfolge, die die Akupressur bei Brustkrebspatientinnen erzielen kann. Sowohl die Schlaf-, als auch die Lebensqualität der fatiguegeplagten Frauen verbessern sich laut Dr. Winkler durch die Therapie erheblich. Eine Studie mit 288 Teilnehmerinnen zeigte zudem, dass Selbstakupressur depressive Verstimmungen, Ängste und Schmerzen signifikant reduzierte. Dazu mussten die Frauen einmal täglich neun Punkte an verschiedenen Körperstellen stimulieren (von Kopf bis Fuß, von rechts nach links), jeweils für drei Minuten. Insgesamt dauert das Ganze etwa eine halbe Stunde. Deshalb müsse man den Patientinnen genau erklären, dass es sich bei Akupressur nicht um Hokuspokus handelt, betonte die Ärztin. Gegen Fatigue haben sich weitere Ansätze aus dem komplementären Spektrum bewiesen. Cornelia­ Ahlgrimm­, Mind-Body-Therapeutin im Team von Dr. Winkler, setzt z.B. auf eine Kombination aus Ausdauer- und Krafttraining. Entspannungsverfahren, progressiver Muskelentspannung nach Jacobson, Yoga und Qigong können mit wissenschaftlichen Belegen aufwarten. Auch lassen sich die Beschwerden nach Erfahrung von Cornelia Ahlgrimm gut mit Wechselbädern (Hydrotherapie), einer Misteltherapie und Akupunktur behandeln. Vergleicht man die Fatigue mit Schlafstörungen, findet man etliche Schnittpunkte. Ähnliche Ursachen, vergleichbare Prävalenzen bei Krebspatienten usw. Daher wirken vermutlich die meisten der genannten Therapien auch dann, wenn Betroffene nicht richtig ein- oder durchschlafen können. Vieles lässt sich jedoch schon mit einer strikten Schlafhygiene erzielen, weiß die Therapeutin. In Sachen Bewegung riet sie: „Mehr und intensiver ist besser, mehrmals wöchentlich, jeweils etwa eine Stunde.“ Tai-Chi (ca. 2 h/Woche) erziele ähnliche Effekte wie eine gute Schlafhygiene. Sie selbst setzt noch auf Aromatherapie, und dabei v.a. auf Bergamotte, Mandarine und Lavendel.

Dysgeusie

„Nicht erschrecken“, warnte Dr. Winkler. „Viele meiner Patienten schwören auf Zungenakupunktur.“ Dabei sollten gleichzeitig die beiden Punkte Ex-HN-12 und 13 für 2–3 Sekunden mit einer Nadel gedrückt werden. Studien liegen dafür jedoch noch nicht vor. Wer es etwas weniger dramatisch mag, kann seine Speisen z.B. düns­ten, statt sie zu braten. Auch Würzen mit frischem Dill und Petersilie, Fleisch und Fisch in Saft oder Sojasauce marinieren sowie bittere Getränke sollen helfen. Ein unangenehmer Geschmack auf der Zunge lässt sich mit Sahne, Naturjoghurt oder Zitrone neutralisieren. Und den typischen Metallgeschmack des Bestecks können Patienten umgehen, indem sie auf Holz- oder Plastikprodukte umsteigen.

Mukositis und Stomatitis

Häufig sind es die kleinen „Banalitäten“, die aus Sicht von Dr. Winkler die Nebenwirkungen einer Chemo-, Strahlen- oder Hormontherapie lindern. Mit einer strengen Mundhygiene beugen Betroffene einer entzündeten Mundschleimhaut vor. Am besten verwenden sie dabei weiche Zahnbürsten und bearbeiten die Zwischenräume ordentlich (Zahnseide, Interdentalbürsten). Tipp: Bürste vor jedem Chemo­zyklus austauschen. Wenn Patienten nur wenig Appetit haben, sollten sie auf reizende Speisen eher verzichten. Dazu gehören Zitrusfrüchte, scharfe Gewürze und Essig, sehr heiß Gekochtes sowie harte Lebensmittel wie Brotrinden und rohes Gemüse. Tabu sind Alkohol und übersüße bzw. saure Getränke, dafür darf (!) insgesamt viel getrunken werden, täglich mindestens 30 ml/kgKG. Abführen mit Heidelbeeren und Trockenpflaumen Mundspülungen mit Heilerde oder Salbei, Leinsamenschleimsaft (über Nacht einweichen) oder pürierte Ananas könne man ebenfalls ausprobieren, gegen rissige Lippen außerdem Balsam verwenden. Und es gibt noch das Ölziehen: Dabei werden direkt nach dem Aufstehen ein bis zwei Esslöffel geschmacksneutrales Öl im Mund „hin- und hergezogen“, bis nach etwa fünf Minuten ein schöner Schaum entsteht. Anschließend ausspucken und Zähne wie gewohnt putzen.

Diarrhö und Obstipation

Als wirksam hat sich die Akupressur erwiesen. „Darin lassen sich Patienten gut schulen“, meinte die Kollegin. So können sie die Methode unabhängig vom Behandler selbst an sich durchführen. Die assoziierten Punkte gegen Durchfall/Verstopfung sitzen auf der Hand bzw. am Ellenbogen. Abseits davon gibt es Studien zur Phytokombi aus Myrrhe, Kamille und Kaffeekohle. Sie soll relaxierend auf den Darm wirken und ist eine Stunde zeitversetzt zu anderen Medikamenten einzunehmen. Neben den allgemeinen Tipps wie ausreichend trinken, Kohlensäure, Alkohol und Kaffee meiden, nannte Dr. Winkler noch Heidelbeermuttersaft (dreimal täglich ein Esslöffel). Allerdings ohne evidenten Wirk­nachweis. Und Achtung: „Frische Heidelbeeren wirken abführend. Das vergessen viele.“ Eine Obstipation lässt sich gut mit Präbiotika, Indischen Flohsamenschalen (nicht bei intestinalen Stenosen!), viel Bewegung, Entspannung und der „richtigen“ Ernährung, sprich fettarm und ballaststoffreich, behandeln. „Wahre Wunder“ könne eine Darmmassage bewirken, auch wenn Studien dazu fehlen. Als Letztes riet Dr. Winkler zu Pflaumensaftpüree. „Drei trockene Pflaumen ohne Kerne über Nacht in 150 ml Wasser einweichen, am nächsten Morgen mixen und dann als erste Mahlzeit trinken.“ 

Quelle: 1. Johnson SB et al. J Natl Cancer Inst 2018; 110: 121-124; DOI: 10.1093/jnci/djx145