Ernährung von Tumorpatienten nach den drei Krankheitsphasen richten
Onkologische Ernährungsmedizin gewinnt an Bedeutung und wird zunehmend auch in Leitlinien berücksichtigt. Ungewollte Gewichtsveränderungen oder Mangelernährung sind ein häufiges Problem bei Krebs und können Therapieverlauf und Prognose beeinflussen. Vor allem bei Erwachsenen empfiehlt der World Cancer Research Fund (WCRF), den BMI etwa bei 21–23 kg/m² zu halten (unter Berücksichtigung der Altersgruppe). Hinsichtlich der Maßnahmen unterscheiden Nicole Erickson vom Krebszentrum der Universität München und Kollegen drei Interventionsphasen:
1. Präventionsphase
Ziel ist die Vorbeugung einer Krebserkrankung sowie eines Rezidivs nach einer erfolgreichen Therapie. Der Fokus liegt auf einem gesunden Lebensstil, der eine abwechslungsreiche gesunde Ernährung, körperliche Bewegung und Tabakverzicht beinhaltet. Von Nahrungsergänzungsmitteln ohne medizinische Indikation raten sowohl der WCRF als auch die WHO Nutrition Guidance Expert Advisory Group (NUGAG) ausdrücklich ab. Generell sollten die Patienten auf eine ausgeglichene Energiebilanz achten und auf stark verarbeitete Lebensmittel, die unverhältnismäßig viel Fett und Zucker enthalten, verzichten. Auch der Salz- und Alkoholkonsum sollte beschränkt werden.
So lassen sich Essens- und Energiezufuhr steigern
- Essen appetitlich präsentieren und für Atmosphäre sorgen (z.B. Kerzen, Tischdeko)
- kleine Portionen auf großen Tellern anrichten
- Essen auf Tageszeiten legen, zu denen es den Patienten am besten geht
- in regelmäßigen Abständen kleine Mengen an Essen/Getränken anbieten
- zusätzliche Energie in die Mahlzeiten integrieren z.B. über energiereiche Lebensmittel bzw. diätetische Maßnahmen
- hochkalorische Getränke erwägen (z.B. Obstsäfte, Milch oder ggf. Trinknahrungen)
2.Therapiephase
Hier konzentrieren sich die Maßnahmen einerseits auf Gewichtsstabilisierung und Vermeidung einer Mangelernährung, andererseits auf unterstützende Maßnahmen, um Nebenwirkungen so gering und erträglich wie möglich zu halten. Medikamentennebenwirkungen wie Appetitlosigkeit, Geschmacksveränderungen, Verdauungsstörungen oder die Unsicherheiten im Umgang mit Darmstomata sind häufig und mit einer geeigneten Ernährungstherapie meist gut in den Griff zu bekommen. Diese muss individuell und situativ angepasst werden. Die beispielsweise bei Obstipation sonst empfohlene ballaststoffreiche Ernährung bewirkt bei onkologischen Patienten nur wenig und kann sogar kontraproduktiv sein. Falls mehrere Nebenwirkungen parallel auftreten, wird zunächst die mit dem höchsten Schweregrad behandelt. Bei unbeabsichtigten Gewichtsveränderungen während bzw. aufgrund der Krebserkrankung korreliert sowohl die Abnahme als auch die Zunahme der Körpermasse mit einem schlechteren Therapieverlauf. Zudem wirken sich die Schwankungen negativ auf die Lebensqualität und -dauer aus. Insbesondere weil der Patient häufig Muskeln verliert und nur an Fett zunimmt. Mangelzustände finden kaum Beachtung Ab einer ungewollten Veränderung von mehr als 5 % sollten Sie über diätetische Maßnahmen intervenieren. So kann eine regelmäßige Ernährungstherapie Mangelernährung bzw. Übergewicht vorbeugen. Generell entwickelten Patienten durch solche Interventionen auch eine positivere Einstellung gegenüber der Krankheit. Ziel der Maßnahmen in der Therapiephase ist, das Gewicht zu stabilisieren, eine Veränderung sollte nach Therapieende erfolgen. Obwohl bekannt ist, dass ein schlechter Ernährungszustand mit einer schlechteren Prognose sowie vermehrten Komplikationen verbunden ist, findet im Gegensatz zur Zunahme ein ungewollter Gewichtsverlust und eine daraus resultierende Mangelernährung oft weniger Beachtung und wird als Teil des Krankheitsverlaufs akzeptiert, schreiben Dr. Erickson und Kollegen. Ein sensitiver Indikator für eine Mangelernährung ist die Kombination von BMI und Gewichtsabnahme in Prozent. Die Ernährungsfachkraft weiß es oft besser als der Arzt Eine deutsche Studie aus dem Jahr 2014 zeigte deutliche Wissenslücken bei Ärzten hinsichtlich des Energie- und Flüssigkeitsbedarfs ihrer Patienten. Die Experten empfehlen daher eine qualifizierte Ernährungsfachkraft in die Therapie einzubinden. Langzeitnebenwirkungen, die während oder nach der Rehabilitationsphase auftreten können, sollten ebenfalls von einer solchen Ernährungsfachkraft betreut werden.3.Palliativphase
Am Lebensende steht das Wohlbefinden des Patienten im Mittelpunkt. Die Ernährungsmaßnahmen richten sich nach Lebenserwartung und Grunderkrankung. Ziele sollten realistisch sein. Außerdem müssen die individuellen Wünsche des Betroffenen respektiert werden. Das gilt für das Lieblingsessen genauso wie für Essens- und Trinkverweigerung während des Sterbeprozesses. Wenn nicht ausdrücklich gewünscht, raten die Leitlinien von einer künstlichen Ernährung während der Sterbephase ab.Quelle: Erickson N et al. internistische praxis 2019; 60: 456-466