Lässt sich Krebs mit Essen vorbeugen?
Krebs ist nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache in Europa. Forscher erwarten einen Anstieg der Fallzahlen besonders bei Entitäten, die mit dem Lebensstil zusammenhängen, etwa Darm-, Leber- oder Brustkarzinome. Zunehmend kristallisiert sich heraus, dass es im Hinblick auf das Tumorrisiko nicht auf einzelne Nahrungsmittel ankommt, sondern auf die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten in ihrer Gesamtheit.
Adipositas gilt inzwischen als unabhängiger Risikofaktor für 13 Krebsarten, darunter Tumoren der Leber, der Bauchspeicheldrüse, der Nieren und des Magen-Darm-Traktes. Als ursächlich werden Entzündungsprozesse und Veränderungen des Hormonhaushalts betrachtet, wobei Fettzellen u.a. Wachstums- und Angiogenesefaktoren freisetzen, die die Vermehrung von Krebszellen begünstigen.
Daneben ist erwiesen, dass Alkohol das Risiko für Krebs nicht nur der Mundhöhle, des Rachenraums, des Kehlkopfs, sondern auch der Speiseröhre, der Brust, des Magens, der Leber und des Darms erhöht. Es besteht eine Dosis-Wirkungs-Beziehung.
Leptin fördert womöglich die Tumorprogression
Ein besonders großer Anstieg ist beim hepatozellulären Karzinom zu verzeichnen: Zwischen 1980 und 2011 hat sich die Fallzahl verfünffacht. Ein Zusammenhang mit der ebenfalls zunehmenden Prävalenz der Fettlebererkrankung (alkoholisch und nicht-alkoholisch) gilt als wahrscheinlich. Eine wichtige Rolle spielen Fettzellen auch beim postmenopausalen Brustkrebs, weil sie – anders als die Eierstöcke – weiterhin Östrogen produzieren, was das Wachstum von hormonsensitiven Tumorzellen begünstigen kann. Besonders für das intraabdominelle Fettgewebe ist zudem erwiesen, dass es metabolisch aktiv ist und Faktoren produziert, die das Tumorwachstum fördern können. Diskutiert wird darüber hinaus, ob das als Sättigungshormon bekannte Leptin über seine zusätzliche Wirkung als Promotor von Wachstum und Angiogenese auch die Tumorprogression und Metastasierung unterstützt.
Die Bedeutung von Adipositas als Risikofaktor für Krebserkrankungen wird auch durch die Beobachtung untermauert, dass die Zahl von Krebsneuerkrankungen bei Frauen nach einer bariatrischen OP mit massivem Gewichtsverlust signifikant sank. Bei Männern zeigte sich allerdings kein solcher Effekt. In einer Interventionsstudie versuchte die Hälfte von insgesamt knapp 50 000 postmenopausalen Frauen, sich fettarm und ballaststoffreich zu ernähren (Fettanteil von maximal 20 % an der Ernährung, 5 Portionen Obst und Gemüse und 6 Portionen Vollkornprodukte am Tag). Wenn sie auch die angestrebten Ernährungsziele bei Weitem nicht erreichten, so traten bei ihnen doch langfristig weniger Fälle von Ovarialkarzinomen und weniger Todesfälle durch Brustkrebs auf als bei der anderen Hälfte, die lediglich allgemeine Empfehlungen für eine gesunde Ernährung erhalten hatte.
Unverändert wird der Konsum großer Mengen roten und verarbeiteten Fleisches als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Da es aber auch eine gute Quelle für Protein, Eisen, Zink und Vitamin B12 ist, wird kein Verzicht, sondern eine Beschränkung auf 350–500 g möglichst magerer Sorten pro Woche empfohlen. Verarbeitetes Fleisch wie Wurst oder Schinken sollte nur gelegentlich verzehrt werden.
Neueren Erkenntnissen zufolge spielen kanzerogene Einzelstoffe wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (die beim Grillen und Braten entstehen), Nitrosamine (die in gepökelten Fleischwaren enthalten sind) und Aflatoxine in verschimmelten Lebensmitteln vermutlich eine geringere Rolle als ursprünglich vermutet.
Keine Schutzwirkung durch Nahrungsergänzungsmittel
Natürlich sollten auch sie eher vermieden werden, aber von deutlich größerer Bedeutung bei der Entstehung von Krebs scheint der gesamte Lebensstil mit den Faktoren Rauchen, Bewegungsmangel und Übergewicht zu sein.
Fastfood und Fertigprodukte sollten nur in Maßen genossen werden. Es wurde ein Zusammenhang zwischen dem Konsum von Pommes und Co. und der Häufigkeit von Darmkrebs beobachtet. Eine Ernährung mit einer hohen Ballaststoffzufuhr, vielen Vollkornprodukten, Gemüse, Obst und Milchprodukten geht dagegen mit einer Risikoverringerung einher. Auch mediterrane oder vegetarische Kost erscheinen in dieser Hinsicht günstig. Für Nahrungsergänzungsmittel konnte bislang kein Nutzen nachgewiesen werden.
Quelle: Gießen H et al. Ernährungs Umschau 2021; 68: M150-M157; DOI: 10.4455/eu.2021.012