Myokardialer Strain gewinnt in der Herzbildgebung an Bedeutung

Autor: Dr. Sascha Bock

Der Strain lässt sich per Herzecho messen. Er gibt an, wie stark sich der Herzmuskel verkürzt bzw. verdickt. Der Strain lässt sich per Herzecho messen. Er gibt an, wie stark sich der Herzmuskel verkürzt bzw. verdickt. © familylifestyle – stock.adobe.com

Auf dem Echo-Befund Ihres Patienten wird der Strain aufgeführt. Nie gehört? Dann sollten Sie sich damit vertraut machen. Wenn es nach der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie geht, wird der Deformations­parameter die Ejektionsfraktion zunehmend verdrängen.

Vor drei Jahren beschrieb die Heart Failure Association der ESC (European Society of Cardiology) in einem Positionspapier einen Paradigmenwechsel. Damit meinte sie nicht das Potenzial neuer Herzinsuffizenz-Medikamente, sondern den Wandel in der kardialen Bildgebung. Ein Parameter, der immer wichtiger wird, ist der myokardiale Strain, definiert als das Ausmaß der Verkürzung bzw. Verdickung eines Muskelsegments zwischen Enddiastole und Endsy­stole. „Gerade bei einer Progression der linksventrikulären Dysfunktion bleibt die Ejektionsfraktion relativ lange stabil, während es schon frühzeitige Veränderungen gibt, die man quantifizieren kann“, erklärte Professor Dr. Sebastian Kelle vom Deutschen Herzzentrum Berlin. Dazu zählt die Abnahme der longitudinalen Deformation.

Das Problem mit der EF

Die Ejektionsfraktion ist als Standardparameter zur Risikoabschätzung im Jahr 2021 noch weit verbreitet, sagte Prof. Schuster. Ein Blick auf Patienten nach einem Myokardinfarkt verdeutlicht jedoch die Schwächen dieses Markers. Zunächst bestätigte eine Studie mit 1235 Teilnehmern, dass ein pathologischer GLS mit einem höheren Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse einhergeht. Die meisten traten bei Patienten mit reduzierter EF (≤ 35 %) und schlechtem Strain auf. Auf Platz zwei folgten aber schon diejenigen mit einer EF > 35 % und auffälligem Strain. Platz drei belegten Patienten mit guter EF und gutem Strain. Erfahrungsgemäß macht die zweite Gruppe den größten Anteil nach einem akuten Infarkt aus, erinnerte der Göttinger Kollege. Deshalb bedürfe es Tools, um Risikopatienten zu identifizieren, die trotz erhaltener EF von einem implantierbaren Device oder einer intensivierten Herzinsuffizienztherapie profitieren könnten.

Zahlreiche Studien belegen die prognostische Relevanz der Strain­analyse. Wird der Wert z.B. bei Patienten mit HFpEF (Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion) ergänzend zu Klinik und Standard-Bildgebung erfasst, lassen sich diejenigen mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko besser herausfiltern. Ebenso macht er im Rahmen von Myokarditiden, nach Herztransplantationen oder in der Kardioonkologie einen Unterschied, zum Beispiel wenn es um die kardiotoxischen Nebenwirkungen einer Chemotherapie geht. Der Strain kann auch asymptomatische, frühe Stadien einer Herzschwäche dingfest machen. Insbesondere bei Personen mit Risikofaktoren wie Diabetes oder Bluthochdruck öffnet sich dadurch ein zusätzliches diagnostisches – und therapeutisches – Fenster. Am relevantesten ist momentan der globale longitudinale Strain (GLS) als Marker der linksventrikulären Funktion. Die zirkumferenzielle und radiale Deformation sollte man jedoch nicht vernachlässigen, erinnerte Professor Dr. Andreas Hagendorff vom Universitätsklinikum Leipzig. Analog zum linksventrikulären gibt es den rechtsventrikulären Strain, mit dem man z.B. einen Rechtsherzinfarkt erkennen kann. Der atriale Strain seinerseits hilft bei der Differenzierung zwischen hypertropher Kardiomyopathie und Amyloidosen. Außerdem gilt eine Reduktion bei Infarktpatienten als unabhängiger Prädiktor für ein schlechteres Outcome.

Abb. 1: Bull’s-eye-Darstellung bei der Echokardiographie

Der klinische Stellenwert des Strains steht für Prof. Hagendorff außer Frage. „Das gehört in modernen Echokardiographielaboren eigentlich zum Standard.“ Das Echo besticht durch eine exzellente zeitliche Auflösung – wichtig insbesondere für Strain-rate-Analysen. Diese Rate entspricht der Geschwindigkeit der Muskeldeformation und dient z.B. der Fibrosedetektion. Betrachtet man die typische Bull’s-eye-Darstellung (s. Abb. 1), weist bereits die Form der Kinetikstörung auf die Pathologie hin. Mitunter finden sich charakteris­tische diagnostische Muster wie das apical sparing bei einer Amyloidose.

Messung im CT ist nichts für den klinischen Alltag

Auch MRT und CT bieten die Möglichkeit, den Strain zu ermitteln. Die Magnetresonanztomograhpie umgeht das Problem schlechter Schallbedingungen. Darüber hinaus können z.B. T1- und T2-Mapping additive Informationen liefern. Erste Daten zur CT-Strainanalyse stammen aus dem Jahr 2010 von Patienten mit KHK. Im täglichen Betrieb spielt die Untersuchung allerdings kaum eine Rolle. Eine CT durchzuführen, nur um die linksventrikuläre Funktion zu beurteilen, ist „nicht Sinn der Sache“, betonte Privatdozent Dr. Mohamed­ Marwan­ vom Universitätsklinikum Erlangen. Die zeitliche Auflösung und die Notwendigkeit der Bildrekonstruktion, um funktionelle Datensätze zu generieren, limitieren den Einsatz.

Untersuchungstechniken müssen harmonisiert werden

Nichtsdestotrotz gewinnt die CT in der Kardiologie an Bedeutung. Etabliert hat sie sich u.a. in der Planung einer Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI). Die Strainanalyse bietet sich aus zwei Gründen an: Einerseits liegen bei TAVI-Patienten bereits funktionelle Datensätze aus der präoperativen Diagnostik vor, andererseits gestaltet sich die Bildakquise via Echo in dieser Population schwierig. Aus den verschiedenen Modalitäten ergibt sich für die breite klinische Anwendung des myokardialen Strains ein Problem: Zwar lassen sich die Ergebnisse gut reproduzieren, jedoch nur, wenn man bei einem Verfahren und einer Software bleibt. „Das ist einer der Schwachpunkte“, sagte Prof. Kelle. Allein die Normwerte für den linksventrikulären GLS im MRT und Echo reichen von ca. -12 % bis -22 %, weshalb man bei Verlaufskontrollen immer mit dem gleichen Gerät arbeiten sollte. Als einen der wichtigsten Schritte der nächsten Jahre bezeichnete Professor Dr. Andreas­ Schuster vom Herzzentrum Göttingen die Harmonisierung der Untersuchungstechniken, sodass Echo und MRT zum gleichen Resultat führen. Zudem müsse man den Strain künftig nicht nur nutzen, um Risiken zu beschreiben, sondern Therapien darauf abzustimmen. Dann wird sich zeigen, ob sich die Prognose der Patienten nachhaltig verbessert.

Kongressbericht: 87. Jahrestagung der DGK (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie); Online-Veranstaltung