Herzinsuffizienz: Kognitive Defizite beeinträchtigen die Therapie
Etwa 40 % aller Herzinsuffizienz-Patienten leiden an kognitiven Defiziten. In der Genese spielt die Herzschwäche selbst eine Rolle, aber auch klassische kardiovaskuläre Risikofaktoren und bestehende Komorbiditäten. Bei dekompensierter Herzinsuffizienz beobachtet man noch häufiger als bei stabilen Patienten Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses, der Verarbeitungsgeschwindigkeit und der exekutiven Kontrolle. Patienten mit Herzinsuffizienz sind zudem stärker gefährdet, nach kardiovaskulären Eingriffen ein postoperatives Delir zu entwickeln, schreiben Diplom-Psychologin Sonja M. Wedegärtner von der Klinik für Innere Medizin III am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg und Kollegen.
Als ursächlich für die kognitive Dysfunktion im Gefolge der Pumpschwäche nimmt man eine zerebrale Hypoperfusion in Zusammenhang mit dem verminderten Herzzeitvolumen und einer gestörten zerebrovaskulären Autoregulation an. Dass die Minderperfusion ein wichtiger Faktor ist, lässt sich an Patienten nach Herztransplantation ablesen. Postoperativ bessern sich zerebraler Blutfluss und kognitive Leistungsfähigkeit. Die Implantation eines biventrikulären Schrittmachers hat ähnliche Effekte.
Kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonie, Diabetes, Hyperlipidämie, Adipositas, körperliche Inaktivität oder Rauchen sind ebenfalls mit dem Auftreten geistiger Defizite assoziiert.
Kognitive Einschränkungen bleiben häufig unentdeckt
So wie sich mit dem Framingham-Score aus diesen Faktoren das Risiko für ein vaskuläres Ereignis vorhersagen lässt, kann man auch das Auftreten einer kognitiven Dysfunktion abschätzen. Zu den bedeutsamen Komorbiditäten im Zusammenhang mit nachlassender Denkleistung bei Herzschwäche zählen u.a. Atherosklerose, zerebrale Embolien, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Niereninsuffizienz, Eisenmangel und Depression.
In der Praxis bleiben kognitive Defizite bei Patienten mit Herzinsuffizienz häufig unentdeckt bzw. werden nicht als solche dokumentiert. Man findet aber gehäuft einen Abfall von Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit, die eingeschränkte Fähigkeit, Handlungen zu planen und zu steuern sowie Informationen zu verarbeiten.
Dies hat durchaus Folgen für den Krankheitsverlauf. Herzinsuffiziente Patienten mit kognitiven Einbußen werden häufiger hospitalisiert und versterben früher als Herzinsuffiziente ohne kognitive Dysfunktion. Möglicherweise liegt dies daran, dass sie weniger über ihre Krankheit wissen, Schwierigkeiten haben, Symptome einer sich anbahnenden Dekompensation zu erkennen, und eine schlechte Adhärenz mit der Therapie aufweisen, weil sie komplexe Behandlungspläne nur schwer umsetzen können. Diese Patienten sind nicht unwillig, sie brauchen aber besondere Unterstützung, erklären die Autoren.
Ärzte sollten deshalb bei ihren Herzinsuffizienz-Patienten auch auf die kognitive Funktion achten und z.B. in orientierenden neuropsychologischen Untersuchungen eruieren, ob ein Problem vorliegt. Gerade leichte kognitive Einschränkungen bleiben ohne gezielte Tests häufig unerkannt, bringen aber durchaus subjektive Beschwerden mit sich.
Test nur sinnvoll bei stabilem Zustand
Schwierigkeiten in der Kommunikation mit dem Patienten, mangelnde Adhärenz mit der Medikation und/oder empfohlenen Selbstpflege oder häufige kardiale Dekompensationen können auf ein geistiges Defizit hinweisen. Wichtig ist, die Untersuchung im kompensierten stabilen Zustand vorzunehmen.
Als besonders sensitiv schon für milde kognitive Ausfälle hat sich das Montreal Cognitive Assessment (MoCA) erwiesen. Dieser Test kann auch Defizite in der Konzentrationsfähigkeit, visuell-räumlichen Auffassung und in exekutiven Funktionen sehr gut aufdecken, die bei Herzinsuffizienten besonders häufig beeinträchtigt sind.
Falls die Untersuchung Hinweise auf eine kognitive Dysfunktion ergibt, sollte man danach suchen, ob sich beispielsweise die Therapie der Herzinsuffizienz selbst und der Komorbiditäten optimieren lässt und ob es schädliche Lebensstilfaktoren gibt, die man ausschalten kann. Außerdem raten die Autoren bei nachgewiesenen Defiziten zu regelmäßigen Verlaufskontrollen, denn es besteht in diesen Fällen ein erhöhtes Demenzrisiko. Sie empfehlen zudem, Betroffene zur weiteren Abklärung und eventuell Einleitung einer spezifischen Behandlung zum Neurologen oder in eine Gedächtnisambulanz zu überweisen.
Die kognitive Leistungsfähigkeit kann im Alltag schon durch ganz einfache Dinge gebessert werden, beispielsweise durch tägliche moderate körperliche Aktivität (Spaziergang). Positiv wirkt sich auch ein computerbasiertes Training des Arbeitsgedächtnisses oder anderer kognitiver Funktionen aus.
Quelle: Wedegärtner SM et al. Internist 2020; 61: 929-938; DOI: 10.1007/s00108-020-00835-8