Nach bariatrischer OP auf gefährliche Mangelzustände achten
Die Effektivität bariatrischer Eingriffe in Sachen Gewichtsreduktion, Verbesserung adipositasassoziierter Erkrankungen sowie Lebensqualitäts-Zugewinn ist unbestritten. Die Nachsorge verlangt allerdings höchste Aufmerksamkeit, weil die verminderte Aufnahme von Kalorien, Nährstoffen, Vitaminen und Spurenelementen nicht nur zu einer Gewichtsabnahme, sondern auch zu Mangelzuständen führt. Diese gilt es, durch konsequentes Überwachen und Supplementieren zu vermeiden, schreiben Dr. Alexandre Nuzzo vom Beaujon Hospital in Clichy und Kollegen.
Der aktuell häufigste bariatrische Eingriff ist mit gut 50 % aller Interventionen die Schlauchmagen-OP. Durch die Verkleinerung des Magens zielt die Operation vor allem auf eine Reduktion der Kalorienaufnahme ab. Der Roux-en-Y-Magenbypass macht rund ein Drittel aller Eingriffe aus. Er bewirkt neben der Kalorienrestriktion eine Malabsorption.
Auch neurologische Symptome als Warnzeichen interpretieren
Das gilt ebenso für die biliopankreatische Teilung und den Mini-Magenbypass. Magenbänder zur Reduktion der Kalorienaufnahme werden heute kaum noch eingesetzt. In der Regel kann das Gesamtgewicht mit diesen Maßnahmen innerhalb von ein bis zwei Jahren um bis zu ein Drittel reduziert werden. Abhängig von der gewählten Operationsmethode sind mit unterschiedlicher Häufigkeit multiple Spurenelemente- bzw. Vitaminmangelzustände zu erwarten. Diese betreffen z.B. Vitamin D, Kalzium, Eisen, Vitamin B12, Zink, Kupfer und Vitamin A und E sowie Folsäure. Ein Thiaminmangel ist selten, kann aber schwerwiegende Konsequenzen haben. Potenzielle Ursachen sind:
- Umgehung des Absorptionsortes und der Verdauungssekrete
- bakterielle Überwucherung des Dünndarms
- verkleinerte Absorptionsfläche im Common Channel
- exzessive Verringerung der Kalorienaufnahme
- Nahrungsintoleranz
- anhaltendes Erbrechen
- mangelnde Adhärenz hinsichtlich der nötigen Supplementierung
Grundsätzlich sollten unerklärte Beschwerden, insbesondere neurologische oder andauernde gastrointestinale Symptome nach einer Bypass-Operation sowie anhaltender/erneuter Gewichtsverlust ein bis zwei Jahre nach dem Eingriff, als Warnzeichen für einen möglichen Mangelzustand interpretiert werden.
Zu den typischen Mikronährstoff-Mangelsyndromen gehört die Anämie, die meist aus einem Eisen- oder Vitamin-B12-Mangel resultiert. Ein Eisenmangel entwickelt sich dabei häufig innerhalb der ersten ein bis zwei Jahre nach der OP, während sich ein Vitamin-B12-Mangel auch erst nach mehreren Jahren manifestieren kann. Eine Enzephalopathie aufgrund eines Thiaminmangels tritt meist bereits innerhalb von Tagen bis Wochen nach dem Eingriff auf. Zu den häufigsten neurologischen Störungen nach bariatrischen Operationen gehören (meist periphere) Neuropathien; für sie sind neben einem Thiaminmangel häufig Defizite an Vitamin B12 und Vitamin A, Folsäure oder Kupfer verantwortlich. Bei früher Behandlung sind sie häufig reversibel. Darüber hinaus gehört Knochenverlust zu den möglichen Konsequenzen von bariatrischen Eingriffen.
Eine schwere postbariatrische intestinale Insuffizienz kann sich durch Haarausfall, Ödeme, Verlust von Muskelmasse, Hyperalbuminurie und Leberdysfunktion äußern. Für ein erfolgreiches Management sollten nach Ausschluss anderer Ursachen für die Mangelernährung eine korrigierende Operation, eine Therapie mit Pankreasenzymen, Antibiotika gegen Dünndarmfehlbesiedlung und/oder eine enterale oder parenterale Ernährung erwogen werden. An metabolischen Komplikationen nach einem bariatrischen Eingriff sind vor allem das Dumping-Syndrom, die hyperinsulinämische Hypoglykämie, Nieren- und Gallensteine zu erwähnen.
Komplikationen in der Folge von bariatrischen Eingriffen können schwerwiegend sein und zu dauerhafter Behinderung führen. Sie sind mit einer konsequenten Nachsorge einschließlich Multivitamin-Supplementierung und regelmäßiger Kontrolle aller relevanten Vitamine und Spurenelemente zuverlässig zu verhindern. Allerdings zeigen Untersuchungen, dass die langfristige Adhärenz häufig nicht optimal ist. Besondere Aufmerksamkeit ist in Situationen mit erhöhtem Risiko für Mangelzustände nötig, etwa bei Essstörungen, Alkoholmissbrauch, Adoleszenz oder Schwangerschaft. Zudem sollten bei Zeichen ernstzunehmender Mangelzustände die Warnlampen angehen, schreiben die Experten.
Quelle: Nuzzo A et al. Lancet Gastroenterol Hepatol 2021; 6: 238-251; DOI: 10.1016/S2468-1253(20)30331-9