Urtikaria Nesselsucht ist eine Erkrankung mit weitreichenden Konsequenzen

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Die Ausprägung der Symptome der chronisch-spontanen Urtikaria fluktuiert in der Regel. Die Ausprägung der Symptome der chronisch-spontanen Urtikaria fluktuiert in der Regel. © kanachaifoto – stock.adobe.com

An Quaddeln und/oder Angioödemen ist eine Urtikaria leicht zu erkennen. Weniger einfach lassen sich andere belastende Symptome und Folgeerscheinungen systematisch erfassen. Dafür gibt es krankheitsspezifische Fragebogen und Apps.

Pathogenetisch relevant sind für die Urtikaria Autoantikörper, die zur Aktivierung und Degranulation von Mastzellen führen. Deren Mediatoren, allen voran Histamin, stimulieren sensorische Nerven, erweitern Gefäße und bewirken eine Extravasation sowie Ansammlung von Eosinophilen, Basophilen und T-Zellen in urtikariellen Läsionen.  

Eine chronische Urtikaria dauert mindestens sechs Wochen und im Durchschnitt etwa elf Jahre, schreibt Prof. Dr. Markus Magerl, Charité – Universitätsmedizin Berlin. Im Laufe der Erkrankungszeit kann sie immer wieder auftreten – entweder spontan oder induziert durch bestimmte Auslöser wie Medikamente, Stress, Nahrungsmittel oder Infektionen. Manche Patienten mit chronisch-spontaner Urtikaria (CSU) haben nahezu täglich Symptome, häufiger Quaddeln als Angioödeme. 

Quaddeln können am ganzen Körper auftreten, bleiben aber auf die Haut beschränkt und äußern sich vor allem in Juckreiz. Sie bilden sich in der Regel in wenigen Stunden zurück. Angioödeme beobachtet man an Haut und Schleimhäuten, besonders häufig an Lippen, Augenlidern und Zunge. Wenn sie tief gelegen sind, können sie auch Schmerzen verursachen. Meist bleiben Angioödeme einen Tag bestehen, selten bis zu drei Tage. Einige Patienten haben nicht nur Hautsymptome, sondern leiden gleichzeitig unter gastrointestinalen oder asthmatischen Beschwerden, Kopfschmerzen oder Fieber

Arbeit, Schlaf, Familien- und Sexualleben leiden

Die chronisch-spontane Urtikaria  gehört zu den Hauterkrankungen, die einen besonders negativen Einfluss auf die Lebensqualität haben. Es leiden nicht nur Arbeit, Schlaf, Familien- und Sexualleben. Auch Angst und Depressionen treten bei den Betroffenen gehäuft auf. 

Die Ausprägung der Symptome fluktuiert in der Regel. Es gibt keine messbaren Aktivitätsmarker, die dies eindeutig widerspiegeln. Deshalb muss man sich auf die Berichte der Patienten verlassen, um die Krankheitsaktivität zu kontrollieren, die Therapie daran anzupassen und deren Erfolg zu überwachen.

Standardverfahren zur Erfassung der Krankheitsaktivität ist der Urtikaria-Aktivitäts-Score. Die Patienten protokollieren einmal täglich die Schwere von Quaddeln und Juckreiz auf einer Skala von je 0 bis 3 Punkten. Kumuliert auf sieben Tage ergibt sich ein Minimalwert von 0 und ein Maximalwert von 42 Punkten. Eine gut kontrollierte Erkrankung liegt in einem Bereich von 1–6 Punkten, leichte Krankheitsaktivität zwischen 7 und 15 Punkten, mäßige bei 16–27 Punkten und schwere bei 28–42 Punkten. Ähnlich funktioniert der Angioödem-Aktivitäts-Score. Betrachtet wird dabei mindestens ein Zeitraum von vier Wochen. 

Zur Bewertung der Lebensqualität bei chronischer Urtikaria gibt es den CU-Q2oL und bei Angioödemen den AE-QoL. Beide krankheitsspezifischen Fragebogen haben eine gute Korrelation mit Veränderungen der Krankheitsaktivität gezeigt. 

Begleiterkrankungen triggern die Entzündung

Im Management von Patienten mit chronisch-spontaner Urtikaria muss auch der Einfluss verschiedener Komorbiditäten auf die systemische Inflammation berücksichtigt werden. Dies sind z.B.

  • Autoimmunkrankheiten, insbesondere der Schilddrüse,
  • Atopie,
  • psychiatrische Erkrankungen,
  • das metabolische Syndrom,
  • Osteoporose und
  • Infektionen.

Als praktische Konsequenzen schlagen Dr. Nicola Wagner und Prof. Dr. Carola Berking vom Uniklinikum Erlangen vor, bei CSU-Patienten initial Entzündungsmarker wie CRP und die BSG zu messen. Zudem gilt es, begleitende Infekte zu behandeln, ein Screening auf Autoimmunerkrankungen zu veranlassen und das Gesamt-IgE als Verlaufsparameter zu bestimmen. Weiterhin ist es ratsam, metabolische Risikofaktoren zu erfassen und bei langer Krankheitsgeschichte auf Zeichen einer Osteoporose zu achten. Darüber hinaus sollten Ärzte psychoemotionale Probleme erfragen und Hilfsangebote vermitteln.

Wagner N, Berking C. Dermatologie 2024; 75: 289-294; DOI: 10.1007/s00105-024-0531-0

Um im Praxisalltag ad hoc die Wirksamkeit einer Therapie zu bewerten, sind die bisher genannten Verfahren zur Erfassung der Krankheitsaktivität und der Lebensqualität nicht geeignet. 

Mit vier Fragen den Therapieerfolg bewerten

Als einfache Instrumente wurden dazu der Urtikaria-Kontrolltest und der Angioödem-Kontrolltest entwickelt. Beide enthalten vier Fragen, die rückblickend auf sieben Tage, vier Wochen oder drei Monate mit je 0–4 Punkten beantwortet werden können. Eine vollständige Krankheitskontrolle entspricht 16 Punkten. 
Das Ausfüllen und Auswerten der Fragebogen bringt jedoch einen beträchtlichen Aufwand für Patient bzw. Arzt mit sich. Deshalb wurden inzwischen webbasierte elektronische Hilfsmittel entwickelt, die diesen Aufwand erheblich verringern.

Quelle: Magerl M. Dermatologie 2024; 75: 274-280; DOI: 10.1007/s00105-024-05304-z