Von Omics und trainierter Immunität Neue Erkenntnisse zur Pathogenese der Bronchiektasenerkrankung

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Mit Hilfe von Proteom- und Mikrobiom­analysen lassen sich möglicherweise auch bei der Bronchiektasie Subtypen identifizieren. Mit Hilfe von Proteom- und Mikrobiom­analysen lassen sich möglicherweise auch bei der Bronchiektasie Subtypen identifizieren. © Atomic62 Studio - stock.adobe.com

Trotz aller Fortschritte lässt sich für eine Bronchiektasenerkrankung in vielen Fällen noch immer keine Ursache finden. Als hilfreich könnte sich der Blick auf aktuelle Forschungsergebnisse zur COPD erweisen – Parallelen nicht ausgeschlossen.

Die Prävalenz der Bronchiektasenerkrankung hat in den letzten zehn Jahren weltweit zugenommen. Spezifische Therapieangebote stehen bisher nicht zur Verfügung, so ein Autorenteam um ­Lidia ­Perea vom Institut d‘Investigacions Biomèdiques August Pi i Sunyer in Barcelona. Kennzeichnend für die Bronchiektasie ist ein Teufelskreis aus vier Faktoren, die miteinander interagieren:

  • Atemwegsinfektionen
  • Entzündung
  • mukoziliäre Dysfunktion
  • strukturelle Schäden

Vermutlich spielen darüber hinaus auch genetische und Umwelteinflüsse eine Rolle.

Infektionen gelten als einer der stärksten Treiber für die Progression. Im Sputum dominiert Pseudomonas aeruginosa, aber auch Pilze sind relevant. Hinter der anhaltenden Inflammation stecken vor allem neutrophile Granulozyten, in manchen Fällen sind eosinophile Granulozyten beteiligt. Ist die Zilienfunktion gestört, sammelt sich Schleim in den Atemwegen, was wiederum Infektionen und eine anhaltende Entzündung begüns­tigt. Aufgrund dieser Prozesse sind strukturelle Läsionen zu erwarten, vor allem irreversible Erweiterungen bzw. Aussackungen der Bronchien. Sie werden insbesondere durch die Zerstörung des Elastins ausgelöst.

COPD-Forschung gibt die Richtung vor

Trotz dieses allgemein anerkannten Teufelskreismodells gibt es hinsichtlich der Pathophysiologie noch einige Verständnislücken. Aktuell beschäftigen sich Forschende mit dem Omics-Ansatz, also der Analyse bestimmter Gruppen und Strukturen von Biomolekülen. Während diese Methode bei der Bronchiektasenerkrankung noch in den Kinderschuhen steckt, ist sie beispielsweise bei der COPD bereits seit einiger Zeit im Einsatz. Da 10–35 % der Patientinnen und Patienten mit Bronchiektasen zugleich eine COPD haben, könnten dort gewonnene Erkenntnisse die weiteren Erforschung der Bronchiektasie voranbringen, hofft das Autorenteam.

So haben erste Studien ergeben, dass sich mithilfe von Proteom- und Mikrobiom­analysen möglicherweise auch bei der Bronchiektasie Subtypen identifizieren lassen. Als Proteomik bezeichnet man die Wissenschaft von der Gesamtheit der Eiweißmoleküle in einer biologischen Probe. Sputum­analysen offenbarten eine verstärk­te Expression von neutrophilen Proteinen im Fall einer schweren Bronchiektasie. Bei Erkrankten mit komorbider COPD ließen sich anhand von proteomischen Untersuchungen fünf verschiedene Endotypen charakterisieren. Zudem wurden 80 Proteine gefunden, die auf eine Besiedelung mit Pseudomonas aeruginosa hindeuten, was ein schlechteres Ansprechen von Antibio­tika erwarten lässt.

Auch die Erforschung der bakteriellen Metaboliten (engl. metabolomics) könnte wichtige Informationen liefern – sowohl über den Wirt als auch über das Mikrobiom. Bei der COPD hat man mithilfe einer entsprechenden Profildiagnostik zirkulierende Biomarker für verschiedene Subtypen entdeckt.

Angeborenes Immunsystem ist lernfähig

Das noch junge Konzept der trainierten angeborenen Immunität könnte Antworten liefern auf die ungeklärte Frage, warum manche Menschen mit Bronchiektasenerkrankung chronisch infiziert bleiben und andere nicht. Die Vorstellung ist, dass das angeborene Immunsystem ebenso wie die erworbene Abwehrfunktion lernfähig ist und ein Gedächtnis ausbildet. Nach erneutem Kontakt mit einem Agens fällt die Immunantwort stärker aus als nach der ersten Begegnung, entscheidend sind Ausmaß und Dauer der Exposition. Bei Erkrankungen wie der Bronchiektasie, bei der Betroffene unter häufigen Atemwegsinfekten leiden, könnte das erklären, warum manche von ihnen die Erreger eliminieren und andere nicht.

Genomweite Assoziationsstudien beschäftigten sich bisher nicht explizit mit der Bronchiektasie. Man hat jedoch bei der primären Ziliendyskinesie Anzeichen für eine genetische Disposition gefunden. Das Transkriptom (Gesamtheit der mRNA-Moleküle einer Gensequenz) könnte relevante Hinweise zum Ausmaß der zellulären Aktivität liefern. Dadurch lassen sich möglicherweise Unterschiede in der Pathogenese der COPD aufdecken sowie differierende genetische Signaturen für Emphysem und Bronchiolitis identifizieren.

Epigenetik hat Infekte und Tabakkonsum im Blick

Während die Gensequenz in den Zellen eines Menschen konstant bleibt, ist die Genexpression variabel. Modifikationen werden vor allem durch Nikotinabusus, Infektionen und Luftverschmutzung ausgelöst. Rauchbedingte Veränderungen stehen der Epigenetikforschung zufolge unter anderem in Zusammenhang mit einer Hyperplasie der Becherzellen, einer Meta­plasie des Plattenepithels, ziliären Schäden und einem lokalen Mangel an sekretorischem IgA.

Perea L et al. Eur Resp Rev 2024; 33: 240055; doi: 10.1183/16000617.0055-2024