Pleurerguss rascher biopsieren? Neue Evidenz könnte Leitlinienempfehlungen verändern
Von der Erstvorstellung bis zur Diagnose eines behandelbaren Tumors können bei Verdacht auf einen malignen Pleuraerguss durchaus 46 Tage vergehen, bis zur definitiven Therapie sogar 70 Tage, berichtete Prof. Dr. Najib Rahman von der Universiy of Oxford aus einer eigenen Studie. In dieser Zeit leiden die Betroffenen unter einem Auf und Ab von Atemnot benötigen immer wieder eine Punktion, betonte er. Die in vielen Diagnosealgorithmen als erster Schritt geforderte Pleuraaspiration sei meist wenig hilfreich. Denn ihre Sensitivität ist nur für einige Entitäten hoch, beispielsweise für Ovarial- und Mammakarzinome. Bei vielen anderen Tumoren hat die Zytologie der Pleuraflüssigkeit keine Aussagekraft.
Zudem sei diagnostisch mehr zu fordern als nur die Diagnose oder der Ausschluss eines Karzinoms, betonte Prof. Rahman. Die Zytologie sollte nach Möglichkeit bereits Auskunft über Prädiktoren für die Therapie geben. Eine derart umfassende Untersuchung sei aber eher die Ausnahme als die Regel – leider auch beim Ovarialkarzinom, das über eine zytologische Auswertung der Pleuraflüssigkeit recht sicher erkannt werden kann. Oft müsse man den Betroffenen dann erklären, dass man leider mehr Gewebe benötigt und deshalb erneut intervenieren muss, sagte Prof. Rahman.
Seiner Überzeugung nach gibt es immer wieder Patientinnen und Patienten, bei denen ein hohes Risiko für ein Malignom besteht und bei denen man deshalb direkt eine Biopsie erwägen sollte. Zu den typischen Zeichen im thorakalen Ultraschall gehören z. B. Knoten an Pleura oder Diaphragma und eine Verdickung von Pleura oder Diaphragma um > 10 mm. Dabei darf der Thoraxultraschall einer Metaanalyse zufolge als ähnlich sensitiv angesehen werden wie die Computertomografie. Er hat den Vorteil, dass er sich unkompliziert am Bett durchführen und beliebig oft wiederholen lässt, betonte Prof. Rahman.
Auch bei der Biopsie zur Diagnose eines malignen Pleuraergusses ist einer Metaanalyse zufolge das ultraschallgestützte dem CT-gestützten Verfahren kaum unterlegen. Die Evidenzbasis ist sogar besser und die Komplikationsraten sind bei diesem Vorgehen zudem geringer. Eine hohe diagnostische Sicherheit mit molekularem Profil erreicht man allerdings am besten mit der Thorakoskopie, räumte Prof. Rahman ein.
Inwieweit bei Verdacht auf einen malignen Pleuraerguss ein beschleunigtes Vorgehen mit früher Biopsie sinnvoll und machbar ist, wird derzeit in der STREAMLINE-Studie geprüft. Ziel ist eine Diagnose innerhalb von zwei Wochen nach Erstvorstellung. Bei Patientinnen und Patienten mit Pleuraerguss und Asbestexposition sollte bei malignen Befunden in der CT immer gleich eine Thorakoskopie erfolgen, empfahl Prof. Rahman. Zeigen sich im thorakalen Ultraschall abnorme Befunde, sollte umgehend eine Aspiration und eine ultraschallgestützte Biopsie durchgeführt werden. Bei hohem Risiko für eine hämatologische Neoplasie oder ein Plattenepithelkarzinom der Lunge (beide werden zytologisch in der Aspiration meist nicht erkannt) plädierte Prof. Rahman ebenfalls für eine akzelerierte Vorgehensweise mit Thorakoskopie oder Aspiration mit ultraschallgestützter Biopsie. Selbiges rät er bei hohem Risiko für eine inkomplette Zytologie ohne molekulares Profil (z. B. beim Ovarial- oder Mammakarzinom). In allen anderen Fällen genügt zunächst die Aspiration. Prof. Rahman geht davon aus, dass sich die Empfehlungen der Fachgesellschaften zum diagnostischen Vorgehen bei Pleuraerguss aufgrund der gewachsenen Evidenz aus Studien und Metaanalysen bald ändern werden.
Quelle: ERS* Congress 2024
* European Respiratory Society