Morbus Sjögren Neue Waffen für den Kampf um die Drüsen
Charakteristisch für das Sjögrensyndrom ist die entzündliche Destruktion exokriner Drüsen, insbesondere des Speicheldrüsenparenchyms. Die Zerstörung des Gewebes lässt sich gut mit der Speicheldrüsensonografie erkennen und mit dem validierten OMERACT-Score in vier verschiedene Grade einteilen. Grad 0 entspricht einer normalen Parenchymstruktur und Grad 1 einer leichten fokalen Inhomogenität bei einer geringgradig unspezifisch veränderten Speicheldrüse. Eine moderate Destruktion des Parenchyms mit mehreren echoarmen Arealen bezeichnet man als Grad 2 und eine erhebliche Parenchymdestruktion mit vielen, teilweise konfluierenden echoarmen Arealen als Grad 3.
Der diagnostische Nutzen der Speicheldrüsensonografie wurde in einer Reihe von klinischen Studien bestätigt. Eine französische Untersuchung ergab zudem, dass der Ultraschall die Sensitivität der geltenden Klassifikationskriterien in der Diagnostik des Sjögrensyndroms deutlich steigern würde – bei nur geringem Verlust an Spezifität. Bisher jedoch wurde die Speicheldrüsensonografie noch nicht nicht in die Klassifikationskriterien aufgenommen.
Zur Diagnose gehören auch umfangreiche Antikörperbestimmungen (anti-SSA/Ro, anti-SSB/La, ANA, Rheumafaktor, IgA-a-Fodrin-Antikörper, Serum-IgG und Komplement C3 und VC4). Zunehmende Bedeutung in der Labordiagnostik gewinnt wegen ihrer klinischen Relevanz die Subspezifizierung von anti-SSA/Ro-Antikörpern in Ro52 und Ro60. Patienten, bei denen beide Subtypen nachgewiesen werden, sind klinisch signifikant häufiger von einer polyklonalen Hypergammaglobulinämie, einer Leukopenie sowie von Lymphomen betroffen.
Auch die Spezifität der Antikörperdiagnostik wird durch die Subspezifizierung gesteigert: Für Patienten, die positiv sind für Ro52, Ro60 und La, ist das Sjögrensyndrom die wahrscheinlichste Diagnose. Wenig spezifisch für ein Sjögrensyndrom ist dagegen ein isolierter Ro52-Befund. Denn dieser Biomarker kann auch bei anderen rheumatischen Systemerkrankungen, insbesondere Myositiden, vorkommen.
Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko im Blick behalten
Im Mittelpunkt der weiterführenden Diagnostik steht die Suche nach schwerwiegenden Organmanifestationen. Sie treten bei bis zu 35 % der Betroffenen auf, wobei es vor allem zu pneumologischen und neurologischen Beteiligungen, seltener auch zu Vaskulitis, Arthritis oder Myositis kommt. Beachtet werden müssen in der Überwachung der Patienten ein erhöhtes kardiovaskuläres und Lymphomrisiko sowie die psychische Belastung.
Die Immunpathogenese des Sjögrensyndroms rückt mehr und mehr in den Fokus der Behandlung. In die Therapieempfehlungen 2020 neu aufgenommen wurde die Anti-B-Zell-Therapie mit Rituximab. Sie scheint vor allem bei extraglandulären Manifestationen wirksam zu sein und wird empfohlen unter anderem zur Therapie der progredienten Polyneuropathie, Vaskulitis und symptomatischen Kryoglobulinämie.
Bei refraktären Parotisschwellungen wird Belimumab empfohlen. Aktuell in Phase-III-Studien erforscht wird Ianalumab, ein weiterer Wirkstoff der Anti-B-Zell-Therapie, der sich gegen den BAFF-Rezeptor richtet. Weitere Hoffnungsträger sind neue Inhibitoren der Costimulation zwischen Immunzellen wie der CD40-Antikörper Iscalimab und Dazodalibep, ein Fusionsprotein, das an den CD40-Liganden bindet. Phase-II-Studien waren vielversprechend, beide Substanzen reduzierten den ESSDAI signifikant und erhöhten z. T. auch die Drüsensekretion. Es ist zu hoffen, dass sich daraus in naher Zukunft zugelassene systemische Therapieoptionen für das Sjögrensyndrom ergeben, so die Autorin.
* B-Zell-Aktivierungs-Faktor
Quelle: Zehrfeld N, Witte T, Ernst D. „Das Sjögren-Syndrom im Fokus“, Dtsch Med Wochenschr 2024; 149(12): 734-739; DOI: 10.1055/a-2136-3498 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York