Neuromuskuläre Erkrankung trifft COVID-19 – immunsuppressive Therapie nicht einfach absetzen
Anlässlich der Tagung der World Muscle Society Anfang Oktober 2020 haben weltweit 24 neuromuskuläre Zentren die Daten von mehr als 22.000 ihrer Patienten zusammengetragen. Darunter waren auch 1611 mit Heimbeatmung, berichtete Professor Dr. Benedikt Schoser, Neurologische Klinik der Universität München. Bei 24 von ihnen wurde eine SARS-CoV-2-Infektion diagnostiziert, fünf starben daran.
Das Virus persistiert nicht nur im Endothel, sondern auch im Muskel, und dies unter Umständen über lange Zeit. Muskuläre Schäden können ohne relevante pulmonale Beteiligung auftreten, und das zu einem Zeitpunkt, da der Nasen-Rachen-Abstrich schon wieder negativ ausfällt.
Die neuromuskuläre Beteiligung bei COVID-19 ist in bis zu 70 % der Fälle durch die klinische Trias Myalgie, Fatigue und Hyper-CK-Ämie gekennzeichnet. Ob sich daraus ein Post-COVID-19-Syndrom mit chronischer Fatigue oder Myalgie entwickeln wird, wie man es von SARS-CoV-1 kennt, bleibt abzuwarten, sagte Prof. Schoser.
Bei beatmungspflichtigen Patienten kann ein Krankheitsbild entstehen, bei dem Polyneuropathie und Myopathie ineinandergreifen und das als ICUAW – ICU-acquired weakness – bezeichnet wird. Ohne invasive Beatmung kommt die auf der Intensivstation erworbene Muskelschwäche offenbar nur sehr selten vor. Dies zeigen Daten des LEOSS-Registers.
Das LEOSS-Register
Bei neu aufgetretenem GBS Liquor auch auf Corona testen
Hochrisikofaktoren für schwere Verläufe
- Schwäche von Atemhilfsmuskulatur und Diaphragma (FVC < 60 %)
- nicht-invasive oder invasive Beatmung
- Tracheostoma
- reduzierte Atemwegsclearance durch Dysphagie und oropharyngeale Schwäche
- primäre kardiale Beteiligung
- Fieber mit Rhabdomyolyse
- Komorbiditäten: Diabetes, Adipositas, Neoplasie, schwere zerebrovaskuläre oder Herzerkrankung
nach Prof. Schoser, DGN-Kongress 2020
Das eigene Beatmungsgerät in die Klinik mitnehmen
Das gilt auch für solche, die normalerweise im Zentrum erfolgen, zum Beispiel Infusionen von Rituximab oder Nusinersen. Immunglobuline können vorübergehend subkutan statt intravenös verabreicht werden, sagte der Referent. Wichtig ist, dass der Patient und seine Betreuer die Notfallmaßnahmen und die Handhabung eigener Geräte gut beherrschen, insbesondere wenn sie zu Hause beatmet werden. Die Patienten sollten, falls sie stationär aufgenommen werden müssen, unbedingt ihre eigenen Geräte mitnehmen, damit sie nicht umgestellt werden müssen, betonte Prof. Schoser.Quellen:
1. Therapieempfehlungen für neuromuskuläre Erkrankungen während der Coronapandemie; World Muscle Society
Kongressbericht: 93. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (Online-Veranstaltung)