Schlafstörungen bei Älteren Nicht die eine Lösung für alle
Krankhafte Schlafstörungen treten bei alten Menschen regelmäßig auf. Sie müssen aber klar von den Veränderungen des Schlafs, die naturgemäß mit zunehmendem Lebensalter einhergehen, abgegrenzt werden, schreiben Prof. Dr. Helmut Frohnhofen vom Universitätsklinikum Düsseldorf und PD Dr. Roland Popp vom Universitären Schlafmedizinischen Zentrum Regensburg-Donaustauf. Dass sich die differenzierte Abklärung und Behandlung auch bei hochbetagten Menschen lohnt, verdeutlichen die beiden Autoren anhand von vier Fallbeispielen.
Fall 1: Insomnie im höheren Lebensalter
Eine 77-jährige Patientin leidet schon viele Monate an Schlafstörungen. Sie findet nachts keine Ruhe und ist tagsüber so müde, dass sie ihren Haushalt nicht mehr führen kann. Seit zwei Jahren ist sie verwitwet und lebt allein. Abgesehen von einem Antihypertensivum nimmt die Frau keine Medikamente ein. Schon um 19 Uhr geht sie ins Bett und schläft rasch ein. Zwei Stunden später erwacht sie, um zur Toilette zu gehen, findet danach aber nicht wieder zur Ruhe. Vormittags schläft sie etwa eine Stunde, am Nachmittag noch einmal fast zwei Stunden.
Die Dame erfüllt sämtliche Kriterien einer Insomnie, schreiben Prof. Frohnhofen und Dr. Popp. Medikamente kommen als Auslöser kaum in Betracht. Stattdessen fallen fast drei Stunden Tagesschlaf und eine sehr frühe Bettgehzeit auf.
In einer solchen Situation empfehlen die beiden Experten eine kognitive Verhaltenstherapie, um die Schlafhygiene des Betroffenen zu bessern. Diese Maßnahme ist nachhaltig effektiv, braucht aber bis zum Wirkbeginn etwas Zeit. Zur unterstützenden Pharmakotherapie bei Insomnie eignen sich am ehesten pflanzliche Medikamente mit belegter Wirksamkeit. Von Hypnotika wie Benzodiazepinen raten die Verfasser ab, weil diese unter anderem das im Alter häufige obstruktive Schlafapnoesyndrom verstärken können.
Die sogenannten Z-Substanzen dürfen nur bei schwerer Insomnie zeitlich befristet zum Einsatz kommen. Allerdings, so geben die beiden Autoren zu bedenken, sind viele Ältere bereits an Hypnotika gewöhnt. In Anbetracht möglicher Absetzsymptome ist dann die Weiterverordnung in niedriger Dosierung oft das kleinere Übel. Bei begleitenden Depression könne man sich den Effekt von zur Nacht verordneten sedierenden Wirkstoffen zunutze machen. Dabei ist allerdings auf ein Restless-Legs-Syndrom zu achten, das bei etwa 30 % der Patienten unter Mirtazapin auftritt.
Das raubt den Nachtschlaf
- Genussmittel und Stimulanzien (Alkohol, Koffein, Nikotin etc.)
- Antibiotika (z.B. Gyrasehemmer)
- Antidementiva (z.B. Donepezil)
- stimulierende Antidepressiva (SSRI, Venlafaxin etc. bei Einnahme zur Nacht)
- Betablocker (besonders die stark lipophilen Wirkstoffe)
- Antiasthmatika
- Diuretika zur Nacht verordnet (besonders Kombinationen)
- Hormonpräparate (Thyroxin, Steroide)
Fall 2: schlafbezogene Atmungsstörung
Ein 85-Jähriger sucht seinen Hausarzt nach einem Sturz auf. Eine Fraktur kann ausgeschlossen werden. Aber die Ehefrau berichtet, ihr Mann sei immer sehr müde, müsse beim Autofahren oft Pausen einlegen und schlafe tagsüber stundenlang. Außerdem schnarche er und höre manchmal auf zu atmen – für den Arzt klare Hinweise auf ein obstruktives Schlafapnoesyndrom (OSAS).
Bei ausgeprägten Beschwerden ist dann auch im hohen Alter noch eine schlafmedizinische Abklärung angezeigt, betonen die beiden Experten. Selbst Menschen mit leichter Demenz können von einer CPAP*-Beatmung profitieren. Auch Maßnahmen, um die Rückenposition beim Schlafen zu verhindern, und Unterkiefer-Protrusionsschienen zeigen gute Effekte.
Fall 3: Bewegungsstörung im Schlaf
Eine 73-jährige Frau findet nachts kaum noch Schlaf. Seit drei Jahren leidet sie an Missempfindungen in den Beinen, die sie nicht mehr ruhig halten kann. Bewegung bessert die Beschwerden, die abends besonders ausgeprägt sind – das klassische Bild eines Restless-Legs-Syndroms.
Therapiebedarf besteht bei klinisch bedeutsamen Symptomen wie erheblichen Ein- und Durchschlafstörungen sowie bei Tagesmüdigkeit und hohem Leidensdruck. Die Patientin erhält nach Ausschluss eines Eisenmangels und medikamentöser Ursachen eine dopaminerge Behandlung, woraufhin sich die Beschwerden umgehend bessern.
Das Einmaleins der Schlafhygiene
Diese Prinzipien sollten bei gestörtem Nachtschlaf unbedingt umgesetzt werden:
- feste Bett- und Aufstehzeiten
- maximal 30 Minuten Schlaf tagsüber
- regelmäßige körperliche Bewegung
- Alkohol nicht als Einschlafhilfe nutzen
- abends auf koffeinhaltige Getränke (Kaffee, Schwarztee) verzichten
- keine üppigen Mahlzeiten am Abend
- angemessen temperierte, ruhige Schlafumgebung
- kein Wecker in Sichtweite
- keine aufregenden Filme und Bücher vor dem Schlafengehen
Fall 4: Schlafstörung bei Demenz
Eine 91-jährige Frau ist seit fünf Jahren an Demenz erkrankt. Sie ist pflegebedürftig, aber noch mobil und lebt bei ihrer Tochter. Diese berichtet, dass ihre Mutter nachts kaum noch schlafe. Stattdessen halte sie regelmäßig die gesamte Familie wach.
In solchen Fällen raten die Autoren, Schlafverhalten und Aktivität über zwei Wochen zu protokollieren. Zudem sollte ein möglicher Einfluss von Medikamenten oder Stimulanzien erfasst werden. Begleitende körperliche Erkrankungen sind bestmöglich zu behandeln.
Mobile Patienten profitieren von einem stabilen zirkadianen Rhythmus mit vormittäglichem Aufenthalt im Freien und dem Verzicht auf Mittagsschlaf. Auch die Betreuung in einer Tagespflegeeinrichtung mit entsprechender Beschäftigung kann helfen. Eine etwaige medikamentöse Behandlung richtet sich nach Zielsymptomen und Verträglichkeit.
* Continuous Positive Airway Pressure
Quelle: Frohnhofen H, Popp R. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 258-268; DOI: 10.1055/a-1495-3348