Verursachen Schlafstörungen neurodegenerative Prozesse?
Die Prävalenz von Schlafstörungen bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimerkrankheit, frontotemporaler Demenz und Morbus Parkinson ist sehr hoch. Schlafregulatorische Zentren fallen der Neurodegeneration oft schon sehr früh zum Opfer, erläuterte Dr. Moritz Brandt von der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Dresden. Typische Frühsymptome können zirkadiane Rhythmusstörungen, Insomnie, Hypersomnie und REM-Schlafverhaltensstörungen sein.
Auf der anderen Seite deutet aber auch einiges darauf hin, dass Schlafstörungen die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen erhöhen können.
Schädliche Proteine werden vor allem im Tiefschlaf entfernt
Um dies nachzuvollziehen, muss man sich die Bedeutung des Schlafes für das Gehirn vor Augen führen, sagte der Schlafmediziner. Neurodegeneration ist bekanntlich die Folge von Akkumulation und Aggregation von Eiweißen wie Beta-Amyloid, Tau-Protein oder Alpha-Synuclein. Schlaf hat eine wichtige Funktion bei der Clearance dieser Ablagerungen. Vor allem im Tiefschlaf wird das lymphatische System aktiviert, um die am Tage angesammelten schädlichen Proteine abzutransportieren. Schon nach kurzfristigem Schlafentzug konnten erhöhte Konzentrationen dieser Proteine im Gehirn nachgewiesen werden.
Auch längerfristig bestehende Schlafstörungen scheinen einen negativen Einfluss zu haben, beschrieb Dr. Brandt. So wurde mittels Positronen-Emissions-Tomographie gezeigt, dass eine kürzere Schlafdauer und schlechtere Schlafqualität mit einer höheren Amyloidlast im Gehirn assoziiert sind. Bei Reduktion des Non-REM-Schlafes konnte eine höhere Last an Tau-Protein nachgewiesen werden. Zudem wurde beobachtet, dass gute Schläfer eine besonders niedrige Tau-Fibrillen-Dichte aufweisen.
Die synaptische Renormalisierung und die Homöostase des extrazellulären Glutamats im Schlaf könnten ebenfalls beim Schutz vor dem Verlust von Nervenzellen eine Rolle spielen. Ein höherer Anteil an Non-REM-Schlaf ist normalerweise mit einer stärkeren Reduktion von extrazellulärem Glutamat assoziiert. Bei Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung ist dies nicht der Fall, es fehlt der nächtliche Glutamatrückgang.
All diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass guter Schlaf ganz allgemein die Resilienz des zentralen Nervensystems gegenüber nervenschädigenden Prozessen erhöht, sagte Dr. Brandt. Im Umkehrschluss könnten Schlafstörungen das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen erhöhen.
Tagungsbericht: 28. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin*
* Online-Veranstaltung