Parodontitis Oraler Schwelbrand
Die Parodontitis ist eine chronische Entzündung des Zahnhalteapparats (Parodont), die unbehandelt zur irreversiblen Zerstörung des zahntragenden Gewebes führt. Weltweit zählt die Erkrankung mit einer Prävalenz von 7,4 % zu den wichtigsten Ursachen für Zahnverlust bei Erwachsenen. Neben individuellen Aspekten wie Einbußen bei Kaufunktion und Lebensqualität ist auch der gesundheitsökonomische Impact durchaus relevant. Um die Parodontitislast zu senken, müsse jede Zahnarztpraxis imstande sein, zumindest bei beginnender oder moderater Parodontitis eine qualifizierte Therapie umzusetzen, fordern Professor Dr. med. dent. Bettina Dannewitz von der Poliklinik für Parodontologie am Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universität Frankfurt und Kollegen.
Es beginnt mit einer Dysbiose im subgingivalen Biofilm
Jeder Parodontitis geht eine Gingivitis voraus, bei der sich die entzündungsbedingten Veränderungen auf das Zahnfleisch (Gingiva) beschränken und meist reversibel sind. Beide Erkrankungen fußen auf der verstärkten Ausbildung des Biofilms im Grenzbereich von Zahn und Gingiva. Dieser bakterielle Besatz besteht aus zahlreichen Spezies, die in symbiotischem Gleichgewicht mit bis zu 700 Mikroorganismenarten in anderen Bereichen der Mundhöhle leben. Durch den Speichel erhalten sie Nährstoffe und werden zugleich in ihrem Wachstum reguliert – zumindest bei gesundem Paradont.
Eine Reihe von inneren und äußeren Einflüssen kann dieses orale Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen, sodass sich im subgingivalen Biofilm eine entzündliche Dysbiose bildet, die Parodontitis fördert. Zu den Risikofaktoren gehören:
- schlecht eingestellter Diabetes
- Rauchen
- Stress
- Engstand der Zähne
- genetische Vorbelastung
- schlechte Mundhygiene
Meist verläuft eine Parodontitis schleichend, weitgehend schmerzlos und deshalb lange Zeit unbemerkt. Blutung, Rötung und Schwellung der Gingiva sind Anzeichen für eine beginnende Erkrankung, werden von den Betroffenen aber häufig nicht als Alarmzeichen wahrgenommen. Das ändert sich erst, wenn durch den Rückgang des Zahnfleisches freiliegende Zahnhälse empfindlich zu schmerzen beginnen und die Zahnzwischenräume größer werden. Im fortgeschrittenen Stadium treten die Folgen der Zerstörung von Halteapparat und Knochen zutage: Die Zähne lockern sich und fangen an zu wandern.
Die Diagnose Gingivitis oder Parodontitis kann der Zahnarzt innerhalb weniger Minuten anhand des parodontalen Screeningindex (PSI) stellen – eine Leistung, die GKV-Versicherten alle zwei Jahre zusteht. Kommt beim Sondieren von potenziellen Zahnfleischtaschen heraus, dass es sich um Parodontitis handelt, erhebt er zusätzlich einen kompletten Parodontalstatus. Dazu gehört auch die röntgenologische Beurteilung der Destruktion. Das Stadium einer Parodontitis ist definiert durch das Ausmaß von Attachmentverlust und Knochenabbau, die Anzahl betroffener oder bereits fehlender Zähne und die Progression.
Bei schnellem Fortschreiten systemische Antibiose erwägen
Therapeutische Maßnahmen haben vor allem die Kontrolle des Biofilms zum Ziel. Nach einem mehrstufigen Konzept geht es zunächst darum, dem Patienten eine adäquate Mundhygiene zu vermitteln, Risikofaktoren zu reduzieren und Zahnbeläge zu beseitigen. Im zweiten Schritt werden Biofilm und Zahnstein auf nicht-chirurgische Weise entfernt. Bei rascher Progression kann zur Unterstützung eine systemische Antibiose sinnvoll sein. Nach drei bis sechs Monaten erfolgt die Kontrolluntersuchung. Eine Parodontitis in Stadium I oder II sollte dann ausreichend saniert sein. Kleinere Zahnfleischtaschen mit einer Sondierungstiefe von maximal 5 mm können erneut gereinigt werden.
Bei einer Parodontitis im Stadium III oder IV sind häufig noch Taschen mit einer Sondierungstiefe ≥ 6 mm vorhanden, die nun chirurgisch behandelt werden müssen. Diese anspruchsvollen Eingriffe sollten speziell weitergebildeten Zahnärzten vorbehalten bleiben. Drei bis sechs Monate später kommt es erneut zur Beurteilung des Therpieerfolgs. Um Rückschlägen vorzubeugen, werden die Patienten in der Selbstkontrolle des Biofilms geschult. Besteht ein erhöhtes Rezidivrisiko, sollten Betroffene in ein Nachsorgeprogramm eingeschlossen werden.
Eine unbehandelte Parodontitis kann negative Auswirkungen auf den gesamten Organismus haben. So steht das vermeintlich lokale dentale Geschehen im Zusammenhang mit kardiovaskulären Erkrankungen, Diabetes, Schwangerschaftskomplikationen und Demenz. Zudem geht bei voranschreitender Erkrankung immer mehr Parodont verloren, die Therapie ist zunehmend aufwendiger, die Prognose ungewiss.
Doch wie die Autoren ausführen, sind es nicht nur die Patienten, denen es am Bewusstsein für Parodontitis mangelt. Auch in der zahnärztlichen Ausbildung hat der Bereich Parodontologie keinen hohen Stellenwert – sowohl in universitären Lehrplänen als auch in der Weiterbildung der Zahnärztekammern. Dies müsse sich ändern, so das Fazit der Autoren.
Quelle: Dannewitz B et al. Bundesgesundheitsbl 2021; 64: 931-940; DOI: 10.1007/s00103-021-03373-2