Persistierend genitale Erregung – Ursachen, Symptome und Therapie
Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich hoch und die Nomenklatur noch nicht standardisiert: Die persistierende genitale Erregungsstörung (persistant genital arousal disorder, PSAS), gekennzeichnet durch eine nicht provozierte sexuelle (Dauer-)Erregung mit oder ohne spontanen Orgasmen, ist den meisten Ärzten wohl eher unbekannt. Die Störung scheint bei Frauen wesentlich häufiger zu sein als bei Männern, der Leidensdruck ist hoch. Dennoch werden die Beschwerden häufig als psychosomatisch abgetan oder die Patientinnen müssen sich anhören, dass diese doch eigentlich ganz positiv seien, schreibt das Team von Neurologen um Professor Dr. Anne Louise Oaklander von der Harvard Medical School in Boston. Dabei hat die Störung in den meisten Fällen eine handfeste Ursache.
Infrage kommen serotonerg oder dopaminerg wirkende Psychopharmaka oder Schädigungen sensorischer Nerven vor allem im Sakralbereich wie z.B. die überwiegend im Lendenwirbel- und Kreuzbeinbereich auftretenden Tarlov-Zysten. Experten gehen davon aus, dass die Störung häufig mit anderen neurologischen Problemen vergesellschaftet ist, z.B. mit dem Restless-Legs-Syndrom, Fibromyalgie, Hyperästhesien im Genitalbereich oder neuropathischen Schmerzen.
In ihrer retrospektiven monozentrischen Analyse werteten die Autoren die Krankenakten von zehn Frauen aus, die sich wegen einer PSAS in einer neurologischen Spezialambulanz vorgestellt hatten. Begonnen hatten die Symptome im Alter zwischen 11 und 70 Jahren, meist in Form von mehrmals täglich auftretender sexueller Erregung ohne erkennbaren Anlass. Fast immer kamen im späteren Verlauf spontane Orgasmen hinzu.
Als mögliche Auslöser kommen Zysten infrage
Fast alle der Betroffenen gaben an, zu masturbieren, um ihre Beschwerden zu lindern – zum Teil auch mehrmals täglich. Das funktionierte allerdings nur bei 20 % von ihnen. Die Symptome belasteten die Partnerschaft und führten in allen Fällen zur Beendigung jeglicher Art der sexuellen Beziehung. Alle Frauen litten unter Depressionen und/oder Angst.
Die meisten Frauen hatten zusätzliche Symptome einer sakralen Neuropathie: Sechs von ihnen klagten über neuropathische Schmerzen im Bereich von Perineum und Gesäß, bei neun Patientinnen ließen sich neurologische Läsionen wie Tarlov-Zysten als plausible Ursache identifizieren.
Neurologische Therapien führten bei 80 % zum Erfolg
Bisherige psychiatrische Therapieversuche waren erfolglos geblieben, vorübergehende Linderung hatten vereinzelt lokale Anästhetika, Glukokortikoide und genitofemorale Nervenblockaden gebracht. Die Neurologen konnten dagegen 80 % der Frauen mit individuellen Therapieansätzen helfen. Dazu gehörten z.B. eine Tarlov-Zysten-Resektion sowie die Gabe von Immunglobulinen. In der medikamentösen Therapie könnten neben Koanalgetika wie Trizyklika oder Antiepileptika auch juckreizhemmende oder libidomindernde Mittel probiert werden, empfehlen die Neurologen. Auf jeden Fall sollte auch eine bestehende Medikation z.B. mit Serotoninwiederaufnahmehemmern kritisch auf mögliche PSAS-Nebenwirkungen überprüft und ggf. graduell ausgeschlichen werden.
Quelle: Oaklander AL et al. Pain Rep 2020; 5: e801; DOI: 10.1097/PR9.0000000000000801