Pflanzenallergie führte leidenschaftlichen Gärtner in die Klinik

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Ein erhöhtes Risiko für berufliche Kontaktallergien gegen Korbblütler tragen neben Gärtnern z.B. auch Blumen-, Obst- und Gemüsehändler. (Agenturfoto) Ein erhöhtes Risiko für berufliche Kontaktallergien gegen Korbblütler tragen neben Gärtnern z.B. auch Blumen-, Obst- und Gemüsehändler. (Agenturfoto) © iStock/kali9

Juckende Ekzeme vom Gesicht bis zu den Oberschenkeln: Eine Kontaktdermatitis durch pflanzliche Allergene kann so schwer verlaufen, dass sogar systemische Steroide nicht ausreichen. Besonders eindrucksvoll zeigt dies der Fall eines passionierten Gärtners.

In den vergangenen drei Jahren stellte sich ein 54-Jähriger immer wieder wegen juckender Ekzeme vor. Anfänglich beschränkten sich die Hauterscheinungen auf Gesicht und V-Ausschnitt. Doch in den Monaten Juni und Juli breiteten sie sich regelmäßig auf Hände und Unterarme aus. Wegen der schweren Symptome wurde der Patient wiederholt mit systemischen Kortikosteroiden behandelt. Darauf sprach er zunächst gut an, wie Dr. Philipp R. Esser und seine Kollegen von der Dermatologischen Klinik der Uniklinik Freiburg ausführen.

Doch dann verschlimmerte sich das Krankheitsbild. Als sich der Patient schließlich in der Freiburger Uniklinik vorstellte, litt er seit Monaten an einer großflächigen, schweren Dermatitis, die Gesicht, Hände, Arme, Rumpf und Oberschenkel in Mitleidenschaft zog. Bei diesem Befund führte an einer stationären Therapie kein Weg vorbei. Aufgrund der ausgeprägten Hautveränderungen erhielt der Patient sowohl systemisch als auch topisch hochwirksame Glukokortikoide, berichten die Kollegen.

Vier Formen der Dermatitis

  • Die irritative Kontaktdermatitis entsteht ausschließlich durch mechanische oder chemische Reize, die das angeborene Immunsystem aktivieren.
  • Die allergische Kontaktdermatitis wird durch eine Sensibilisierung ausgelöst. Dabei werden spezifische T-Zellen aktiviert und vermehrt gebildet. Bei einem erneuten Kontakt mit dem auslösenden Pflanzenstoff kommt es zu einer zytotoxischen T-Zell-Reaktion, die sich als Erythem bzw. Ekzem zeigt.
  • Bei einer zusätzlichen UV-Exposition spricht man von einer photoirritativen bzw. photoallergischen Dermatitis.
  • Eine Sonderform ist die aerogene Kontaktdermatitis, die durch Allergene oder Irritanzien aus der Luft übertragen wird (ABCD, airborne contact dermatitis), z.B. auch über Korbblütler-Pollen.

Ein Berufswechsel kam für den Mann nicht infrage

Unklar war zunächst, was die Dermatitis auslöste. Ein Patch-Test im ekzemfreien Intervall sollte Klarheit schaffen. Dabei zeigte der Gärtner eine zweifach positive Antwort auf Korbblütler allgemein (Compositen-Mix). Außerdem reagierte er positiv auf zwei ihrer bekannten Vertreter, Echte Arnika und Römische Kamille. Schließlich ergab der Patch-Test noch eine positive Antwort auf die Sesquiterpenlactone, die in Korbblütlern nachweisbar sind und die allergische Kontaktdermatitis auslösen. Nicht nur der positive Patch-Test sprach für eine Korbblütler-Allergie. Auch die saisonalen Dermatitis-Schübe (hauptsächlich im Sommer) und das Verteilungsmuster der Haut­erscheinungen machten die Korbblütler zum Hauptverdächtigen. Aufgrund der Tätigkeit als selbstständiger Gärtner diagnostizierten die Autoren eine berufsbedingte allergische Kontaktdermatitis auf Compositae. Der Verdacht auf eine photoallergische Form konnte bei dem Patienten nicht bestätigt werden, da er den Photopatch-Test aus zeitlichen Gründen ablehnte. Ein Berufswechsel wäre für den 54-Jährigen dringend geboten gewesen. Als passionierter Gärtner lehnte er diesen Schritt allerdings strikt ab. Also versuchten die Freiburger Dermatologen, die allergische Dermatitis so in den Griff zu bekommen. Trotz intensiver topischer und systemischer Steroide gelang dies nur unzureichend. Eine Desensibilisierung schied wegen der schlechten Evidenz bei Korbblütlern aus. Stattdessen planten die Allergie-Experten eine Immunsuppression mit Ciclosporin und Methotrexat. Allerdings starb der Patient aus nicht-allergener Ursache, bevor er diese hätte beginnen können.
Sensibilisierende Gartenschönheiten
Top Sechs der Auslöser
Sensibilisierende Bestandteile
Vorkommen
Korbblütler
Sesquiterpenlactone u.a. Bitterstoffe in Löwenzahn, Chrysantheme,
Kamille, Ambrosia, Beifuß und anderen Korbblütlern
Myrtengewächse
Terpene und Kohlenwasserstoffez.B. in Teebaumöl enthalten
Lippenblütler
Carvon, Kampfer, Limonen, Linalool,
Linaylacetat, Menthol, Menthon
z.B. Bestandteile der ätherischen Öle von Lavendel und Pfefferminze
Weiderichgewächse
LawsonHauptbestandteil des Farbstoffes aus der
Henna-Pflanze
Liliengewächse
Tulipalin A (a-Methylen-g-butyrolacton)im Pflanzensaft von Tulpen enthalten
AraliengewächseFalcarinol, Didehydrofalcarinolu.a. als Pestizid wirkender Stoff aus Gemeinem Efeu

Gefährdet sind auch Blumen-, Obst- und Gemüsehändler

Der Gärtner ist kein Einzelfall, betonen die Autoren. Ein erhöhtes Risiko für berufliche Kontaktallergien gegen Korbblütler tragen z.B. auch Blumen-, Obst- und Gemüsehändler. Die Autoren empfehlen bei wahrscheinlicher Pflanzenexposition, auch junge Patienten mit einem Patch-Test (z.B. Compositae-Mix) zu untersuchen. Nicht angezeigt ist dieser Test beispielsweise bei Kreuzblütlern, deren irritative Wirkung bekannt ist.

Die potenziell allergene Pflanze am besten mitbringen

Viele Patienten halten pflanzliche Wirkstoffe wegen ihrer natürlichen Herkunft automatisch für gesund und sicher. Deshalb raten die Freiburger Allergie-Experten, bei einem Test auf Kontaktsensibilisatoren auch die potenziell ursächlichen (Original-)Pflanzen nicht zu vergessen.

Quelle: Esser PR et al. „Unverträglichkeitsreaktionen auf Pflanzen“, Akt Dermatol 2019; 45: 343-348, DOI: 10.1055/a-0881-6779 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York