Phlegmone als virale Infektion fehlgedeutet
Blasen an der Haut = Herpes. Diese simple Gleichung ging am Fuß des Diabetikers nicht auf. Seit 17 Jahren litt der Patient an einem Typ-2-Diabetes, inzwischen mit begleitender Polyneuropathie. Sein behandelnder Dermatologe wusste das seit zwei Jahren. Dennoch bescheinigte er rein klinisch eine Herpes-simplex-Infektion, als der Mann mit Blasen am linken Fuß, scharf begrenzter Rötung und Schwielenbildung zu ihm kam. Unter der antiviralen Therapie besserte sich der Befund nicht, zwei Wochen später legte sich der Hautarzt dann auf eine bakterielle Infektion fest und leitete nach einem Wundabstrich die Antibiose mit Doxycyclin ein.
Daraufhin führten qualifizierte Wundschwestern zweimal wöchentlich Verbandswechsel mit antibakteriellen Kompressen durch. In der Fotodokumentation (durch die Wundmanager) ließ sich aber weiterhin keine Besserung erkennen.
Amputation und monatelange Wundbehandlung
Erst nach insgesamt vier Wochen erfolgte unter der Diagnose einer Vorfußphlegmone die Überweisung zum Chirurgen. Der wies den Mann stationär ein, im weiteren Verlauf musste die 3. Zehe (li.) amputiert werden, dazu kam eine Nekrektomie mit offener Wundbehandlung, die sich über mehrere Monate hinzog, ehe die Läsionen verheilt waren.
Der Fall kam vor die Schlichtungsstelle, die einen groben Behandlungsfehler attestierte. Ganz abgesehen davon, dass in diesem Fall eine Herpes-simplex-Infektion sehr unwahrscheinlich war – rechnet man beim Diabetiker doch viel eher mit einem bakteriellen Geschehen –, mangelte es an dokumentierten korrekten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. Die Wunde wurde nicht subtil befundet, sprich sondiert und revidiert, erweiterte Untersuchungen auf PAVK und eine ossäre Beteiligung blieben aus. Spätestens nach 14 Tagen wäre eine komplexe interdisziplinäre Behandlung indiziert gewesen, schreiben Professor Dr. Peter Elsner von der Klinik für Hautkrankheiten am Universitätsklinikum Jena und J. Meyer von der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern. Vermutlich hätte sich damit die Amputation vermeiden und die Therapiedauer verkürzen lassen. Die Schlichtungsstelle hielt u.a. auch aufgrund der schlecht geführten Dokumentation durch den Arzt die Schadenersatzansprüche für begründet und schlug vor, eine außergerichtliche Regelung in Betracht zu ziehen.
Quelle: Elsner P, Meyer J. Akt Dermatol 2020; 46: 546-550; DOI: 10.1055/a-1205-3180