Placebos verändern auch bei unverblindeter Gabe die Aktivität von Gehirnzellen

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Unverblindet gegebene Placebos können objektiv gemessene biologische Parameter verändern. Unverblindet gegebene Placebos können objektiv gemessene biologische Parameter verändern. © iStock/itsme23

Um sich den Effekt von Placebos zu Nutze zu machen, muss man seinen Patienten nichts vormachen. So sprechen bei geeigneten Krankheitsbildern auch wissende Patienten auf die Gabe an, wie eine EEG-Messung zeigte.

Die Placebowirkung kommt auch zum Tragen, wenn Patienten wissen, dass sie keinen aktiven Wirkstoff erhalten haben. Dass durch die Offenlegung das Ergebnis nicht verfälscht wird, weil Patienten versuchen, gemäß der Erwartungen ihrer Ärzte zu antworten, bewies das Team um den Psychologen Dr. Darwin A. Guevarra von der University of Michigan in Ann Arbor. Sie zeigen, unverblindet gegebene Placebos können objektiv gemessene biologische Parameter verändern. Die Wissenschaftler hatten in zwei Experimenten gesunden Studenten eine Reihe von Bildern gezeigt, die entweder neutrale Inhalte präsentierten oder emotionalen Stress auslösen sollten. Unmittelbar davor erhielten die Teilnehmer physiologische Kochsalzlösung als Nasenspray.

Die Forscher teilten sie in jeweils zwei Gruppen ein: In der offenen Gruppe wussten die Probanden, dass dieses Spray als Placebo gedacht war. Gleichzeitig wurden sie im Vorfeld über Placebowirkungen informiert und darüber, dass das Spray daher stressmindernd wirken könne, wenn sie das glaubten. Die Kontrollgruppe erhielt Infomaterial über Schmerzwahrnehmung und Schmerztherapie. Den Teilnehmern dieser Gruppe sagte man dagegen, das Spray verbessere die Interpretierbarkeit von physiologischen Messungen.

Und siehe da: Die 29 Probanden der ersten Studiengruppe gaben nach verstörenden Bildern nicht nur weniger emotionalen Stress auf einer Ratingskala an als die 33 Kontrollen. Auch die im zweiten Experiment während der Präsentation abgeleiteten EEG-Marker verzeichenten weniger Stress als bei den Studenten der Vergleichsgruppe (58 Probanden vs. 62 Kontrollen). Das als Marker gewählte „late positive potential“, zeigt im EEG über Veränderungen die Verarbeitung emotionaler Prozesse im Gehirn an.

Damit wäre ein Einsatz von Placebos auch im praktischen Alltag vertretbar, meint Professor Dr. Jason Moser, Mitautor der Studie, in einer begleitenden Pressemeldung. „Sagen Sie Ihren Patienten, dass das Placebo ihnen helfen kann – sie müssen nur daran glauben.“

Das gilt aber nur für Krankheiten, bei denen grundsätzlich ein Placeboeffekt zu erwarten ist, betonen die Forscher, etwa bei chronischen Schmerzen, Angststörungen oder Depressionen. Das Team plant nun eine Folgestudie, die den mit COVID-19 assoziierten Stress unter nicht verblindeten Placebos untersuchen soll.

Quelle:
1. Guevarra DA et al. Nat Commun 2020; 11: 3785; DOI: 10.1038/s41467-020-17654-y
2. Pressemitteilung Michigan State University