ASS verhindert kardiovaskuläre Ereignisse so gut wie ein Placebo
An der ARRIVE*-Studie nahmen Männer ab dem 55. und Frauen ab dem 60. Lebensjahr teil, bei denen ein moderates Risiko für ein erstes kardiovaskuläres Ereignis bestand. Diabetiker waren ausgeschlossen. Die 12 546 Teilnehmer erhielten entweder 100 mg/d Acetylsalicylsäure (ASS) oder Placebo. Die Autoren wollten wissen, ob ASS die Probanden vor kardiovaskulär bedingten Todesfällen wie Myokardinfarkten, instabiler Angina pectoris und Schlaganfällen sowie vor transitorischen ischämischen Attacken schütze.
Über die fünf Jahre des Beobachtungszeitraumes trat zumindest eines dieser Ereignisse bei 4,29 % der Patienten unter ASS und bei 4,48 % der Personen unter Placebo auf. Damit wirkte ASS nicht besser als das Scheinmedikament. Zugleich kam es in der ASS-Gruppe mehr als doppelt so oft zu Blutungen im Gastrointestinaltrakt (0,97 % vs. 0,46 %). In der ASS-Gruppe verstarben 160 Personen, in der Placebo-Gruppe 161.
Die Frage der Primärprävention mit ASS bei moderatem kardiovaskulärem Risiko bleibe damit weiter offen, so Dr. Davide Capodanno von der Universität Catania, Italien, und Dr. Dominick J. Angiolillo vom University of Florida College of Medicine, Jacksonville, in einem Kommentar. Bei den ARRIVE-Teilnehmern sei der schützende Effekt wohl eher gering gewesen, so ihr Fazit. Das Ergebnis demonstriere aber gut die Schwäche der derzeitigen Risikoklassifizierung, die auf historischen Daten beruhe und dringend einer Überarbeitung bedürfe.
Im Gegensatz zu ARRIVE, für die eine Diabeteserkrankung ein Ausschlusskriterium darstellte, hat die britische ASCEND**-Studie mehr als 15 000 Diabetespatienten ab dem 40. Lebensjahr untersucht. Auch bei diesen Personen bestand zu Studienbeginn keine manifeste Herz-Kreislauf-Erkrankung. Die Teilnehmer schluckten ebenfalls entweder 100 mg ASS pro Tag oder Placebo.
In der britischen Untersuchung traten unter ASS zwar signifikant weniger Endpunktereignisse auf (bei 8,5 % der Patienten vs. 9,6 % unter Placebo), wie die Autorengruppe um Dr. Louise Bowman von der University of Oxford schreibt. Aber genau wie bei ARRIVE kam es auch hier zu mehr Blutungen (4,1 % vs. 3,2 %).
In beiden Studien zeigte ASS übrigens keinen Schutz vor Krebserkrankungen, wie er in der Vergangenheit postuliert wurde. Allerdings ist bei beiden Studien die Nachbeobachtungszeit noch zu kurz, um in diesem Punkt endgültige Aussagen treffen zu können. Weitere Daten dazu sollen aber in den nächsten Jahren folgen.
* Aspirin to Reduce Risk of Initial Vascular Events
** A Study of Cardiovascular Events in Diabetes
Quellen:
1. Gaziano JM et al. Lancet 2018; 392: 1036-1046
2. Capodanno D, Angiolillo DJ. A.a.O.: 988-990
3. Bowman L et al. N Engl J Med 2018; 379: 1529-1539