Primärprävention bei jungen Patienten mit erhöhten Non-HDL-Werten?

Autor: Dr. Alexandra Bischoff

Die Prognose für 30 Jahre fällt womöglich düsterer aus als die für 10 Jahre. Die Prognose für 30 Jahre fällt womöglich düsterer aus als die für 10 Jahre. © Kateryna_Kon – stock.adobe.com

Ein neues Tool zur Kalkulation des kardiovaskulären Langzeitrisikos zeigt, dass leicht erhöhte Non-HDL-Cholesterinwerte bereits für unter 45-Jährige langfristig ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko bedeuten. Experten sehen darin ein Argument für eine frühe lipidsenkende Primärprävention.

Non-HDL-Cholesterin und LDL-Cholesterin zählen zu den wichtigsten kardiovaskulären Risikofaktoren. Die derzeitigen Risikokalkulationen errechnen Prognosen in der Regel für die nächsten zehn Jahre. Selbst wenn der Risikoscore für diesen Zeitraum gering erscheint, kann eine längerfristige Prognose, z.B. für die nächsten 30 Jahre, deutlich höher ausfallen, warnen Dr. Fabian J. Brunner vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Kollegen.

Schon leicht erhöhte Werte wirken sich aus

Sie entwickelten und validierten anhand der Daten aus dem Multinational Cardiovascular Risk Consortium einen Risikoscore, der zeigen soll, was ein erhöhter Non-HDL-Wert auch ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung bis ins Alter von 75 Jahren für das Herz-Kreislauf-System bedeutet. In die Berechnung fließen Alter, Geschlecht, Non-HDL-Cholesterin und die Anzahl weiterer Risikofaktoren (≤ 1 oder ≥ 2) ein.

Im medianen Beobachtungszeitraum von 13,5 Jahren (maximal 43,6 Jahre) wurde bei 54 542 der rund 400 000 Studienteilnehmer eine koronare Herzkrankheit oder ein Schlaganfall diagnostiziert. Die 30-Jahres-Ereignisraten lagen je nach Non-HDL-Cholesterin-Wert zwischen 7,7 % (< 101 mg/dl) und 33,7 % (≥ 222 mg/dl) bei Frauen und zwischen 12,8 % und 43,6 % bei Männern, folglich deutlich über den Zehnjahresprognosen.

Hatten die Patienten bereits früh (Alter < 45 Jahre) höhere Non-HDL-Werte, stieg das Risiko für eine spätere Erkrankung innerhalb der folgenden 30 Jahre linear weiter. Dafür reichten bereits leicht erhöhte Spiegel (101–144 mg/dl) aus. Patienten der Gruppe mit den höchsten Cholesterinwerten (≥ 222 mg/dl) hatten im Vergleich zur Referenzgruppe (<101 mg/dl) ein drei- bis vierfach höheres Risiko. Ähnliche Zusammenhänge zeigten sich auch bezüglich der LDL-Werte.

Risiko im besten Fall 4,5-fach reduziert

Mit einer Reduzierung ihres Non-HDL-Cholesterins um 50 % hätten die Patienten ihr kardiovaskuläres Risiko deutlich reduzieren können, schreiben die Hamburger Wissenschaftler. Diese laut der Hochrechnungen optimalste erreichbare Reduktion hätte zum Beispiel bei einem Patienten unter 45 Jahren mit einem Ausgangswert zwischen 144 und 187 mg/dl die Wahrscheinlichkeit von 28,8 % auf 6,4 % gesenkt. Da der kardioprotektive Nutzen größer ausfällt, je früher die Therapie beginnt, halten die Autoren eine Primärprävention bereits bei Jüngeren ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung, aber mit einem erhöhten Lebenszeitrisiko, für sinnvoll.

Quelle: Brunner FJ et al. Lancet 2019; 394: 2173-2183; DOI: 10.1016/S0140-6736(19)32519-X