Knochenmarktumor Prof. Dr. Heinz Ludwig im Podcast O-Ton Onkologie zur Behandlung des Multiplen Myeloms

Autor: Lara Sommer

Prof. Dr. Heinz ­Ludwig berichtet über die aktuellen Überlebensaussichten von Myelom Patient:innen und gibt einen Ausblick in die Zukunft. Prof. Dr. Heinz ­Ludwig berichtet über die aktuellen Überlebensaussichten von Myelom Patient:innen und gibt einen Ausblick in die Zukunft. © OneClic – stock.adobe.com

Myelompatient:innen haben heute deutlich mehr Therapieoptionen als noch vor zehn Jahren. Prof. Dr. Heinz ­Ludwig sprach mit Dr. Astrid Heinl vom Journal ­Onkologie über die aktuellen Überlebensaussichten Erkrankter, das Potenzial von Immuntherapien und weitere Konzepte in der Pipeline.

Für das Jahr 2016 meldete das RKI eine Fünf-Jahres-Überlebensrate von 49 % beim Multiplen Myelom. Prof. Dr. ­Heinz ­Ludwig vom Wilhelminenkrebsforschungsinstitut in Wien betont, dass diese Zahlen nicht die jüngsten therapeutischen Fortschritte abbilden: Er geht aktuell von etwa 65 % aus. 

Die Prognose hängt einerseits vom Alter ab: „Junge Patient:innen, und darunter verstehe ich Personen, die für eine Transplantation geeignet sind, erreichen ein Zehn-Jahres-Überleben von 50 %.“ Andererseits lässt sich der Knochenmarktumor anhand genetischer Veränderungen in Risikogruppen stratifizieren. Diese erlauben es auch, innerhalb einer Altersgruppe zu differenzieren. 

Angesichts von Literatur, die das Myelom noch immer als nicht kurabel beschreibt, meint der Experte: „Ich denke, dass wir bei 10–15 % eine Heilung erzielen können.“ Darunter versteht er, dass die betreffende Person keine Krankheitszeichen mehr aufweist, keine Therapie benötigt und eine ähnliche Lebenserwartung wie Menschen ohne die Erkrankung hat. „Allerdings sind dies in der Regel jüngere Patient:innen und solche mit dem sogenannten Standardrisiko“, schränkt Prof. Ludwig ein. Wenn Hochrisikofaktoren vorliegen, hätten die Behandelnden hingegen oft noch immer Mühe, Symptome schnell zu lindern und vor allem lang andauernd zu beherrschen.

Stand der Versorgung

Ärzte und Ärztinnen setzen mittlerweile routinemäßig gegen Strukturen auf der Myelomzelle gerichtete Antikörper, moderne Chemotherapien sowie Proteasominhibitoren wie Bortezomib oder Carfilzomib ein. Hinzu kommen sogenannte „-mide“ und Dexamethason. „Man kann heute 80–90 %, je nach Alter und Risikoprofil bis zu 100 %, in eine gute Remission bringen“, schildert der Experte seine Erfahrungen. Junge, fitte Patient:innen mit Standardrisiko erhalten eine Kombination aus Chemo- und Immuntherapie. Danach folgen Stammzelltransplantation, Konsolidierung und eine mehrjährige Erhaltungstherapie. 

Die Intensität der Nachsorge hängt von der Risikosituation ab. Tritt ein Rezidiv auf, setzt man in der Regel auf Wirkstoffe, die die Erkrankten während ihrer Vorbehandlung noch nicht erhalten haben. Eine Ausnahme besteht allenfalls, wenn viel Zeit seit der Erstlinie vergangen ist. Grundsätzlich haben Mediziner:innen auch im Falle eines Rezidivs mehr Optionen als je zuvor, um Betroffene wieder in eine Remission zu bringen. „Es kann aber schon sein, dass nach vielen Vortherapien diese Werkzeuge stumpf werden“, gesteht der Hämatologe ein. Dann stünde die Lebensqualität im Vordergrund. 

Das Immunsystem als Waffe

Im Bereich der Immuntherapie besteht ein Fortschritt in bispezifischen Antikörpern, welche die Lymphozyten in unmittelbare Nachbarschaft ihres Ziels bringen. 60–70 % multipel vorbehandelter Personen sprächen auf diese Präparate an. In Studien erreichte eine gemeinsame Gabe zweier solcher Antikörper sogar Ansprechraten von 80 %. Der Mediziner kommentiert: „Das Prinzip funktioniert. Man kann das, wenn Patient:innen die ersten Therapien absolviert haben, in der Tagesklinik fortsetzen.“

Die genetischen Veränderungen von CAR-T-Zellen beschreibt Prof. Ludwig als „Sehhilfe“ für das Immunsystem. „Da gibt es je nach Produkt Ansprechraten bis nahezu 100 %, und unglaubliche progressionsfreie und Gesamtüberlebenszeiten“, verdeutlicht er das Potenzial. Bisher habe man die CAR-T-Zell-Therapie nur bei stark vorbehandelten Erkrankten eingesetzt. Es laufen Studien, um eine klinische Anwendung in früheren Linien zu prüfen. Der Experte rechnet allerdings erst in mehreren Jahren mit Ergebnissen.

Neue Herausforderungen

Sowohl bispezifische Antikörper als auch CAR-T-Zellen führen zu einer Beeinträchtigung der normalen Immunantwort. Insbesondere verfügen Behandelte über weniger Antikörper, was zu einer erhöhten Infektanfälligkeit beiträgt. Prof. ­Ludwig verweist auf die Möglichkeit, Immunglobuline zu supplementieren. Dies führten Ärzt:innen bei Patient:innen mit niedrigen Spiegeln heutzutage standardmäßig durch.

Unabhängig davon zieht eine Infusion mit CAR-T-Zellen womöglich ein CRS oder neurologische Komplikationen nach sich. „Wir können mit bestimmten Modifikationen das Risiko reduzieren und viele Zentren in der Welt arbeiten daran“, erläutert der Institutsleiter. Außerdem ließen sich bestimmte Zytokine medikamentös verringern. Eine weitere Strategie besteht darin, die Behandlung auf mehrere Sitzungen aufzuteilen: „Zum Beispiel in drei Schritten, zuerst eine kleine, dann eine mittlere und eine höhere Dosis, zu applizieren.“ 

Was kommt noch?

Wissenschaftler:innen arbeiten daran, neue Immuneffektoren, insbesondere NK-Zellen, für die Krebstherapie zu modifizieren. Andere erforschen, wie man gesunde blutbildende Zellen so verändern kann, dass sie besser zur Krankheitskontrolle beitragen. Auch Impfungen gegen Malignome sowie toxingekoppelte Antikörper bleiben weiterhin ein Thema. 

Skeptischer ist Prof. ­Ludwig jedoch gegenüber Konzepten, die bereits bei asymptomatischen Vorstufen des Myeloms ansetzen: „Unser Ziel ist erst einmal, Patient:innen, die wirklich ein behandlungsbedürftiges Krankheitsbild haben, so gut wie möglich zu versorgen und deren Lebenszeit sowie -qualität zu optimieren.“

Prof. Dr. Heinz ­Ludwig, Leiter des Wilhelminenkrebsforschungsinstitut, Zentrum für Onkologie, Hämatologie und Palliativmedizin, Klinik Ottakring, Wien Prof. Dr. Heinz ­Ludwig, Leiter des Wilhelminenkrebsforschungsinstitut, Zentrum für Onkologie, Hämatologie und Palliativmedizin, Klinik Ottakring, Wien © zVg