Regelmäßiges Eincremen schützt Kinder nicht vor Neurodermitis
Bis zu einem Viertel aller Kinder erkrankt an einem atopischen Ekzem. Zugrunde liegt eine genetisch bedingt gestörte Barrierefunktion der Haut. Oft ist der Hautbefund erstes Zeichen einer Atopie, der Vorbote einer Nahrungsmittelallergie, allergischen Rhinitis oder eines Asthma bronchiale, erklären Dr. Kirsten P. Perrett und Dr. Rachel L. Peters vom Murdoch Children’s Research Institute in Parkville in einem Kommentar. Ein „Wehret den Anfängen“, also das Verhindern sichtbarer Hautveränderungen, erscheint sinnvoll – ist aber offenbar gar nicht so einfach.
Das Team um den Pädiater Dr. Håvard O. Skjerven vom Uniklinikum Oslo führte eine Studie mit fast 2400 Säuglingen aus der skandinavischen Allgemeinbevölkerung durch. Die Ärzte wollten wissen, ob zum einen regelmäßiges Eincremen mit Emollienzien und zum anderen das frühe Zufüttern bekannter Lebensmittelallergene das atopische Ekzem verhindern kann.
Weniger Hautprobleme in der Kontrollgruppe
Dazu teilten sie die Kinder nach dem Zufallsprinzip in vier Gruppen auf:
- In Gruppe 1 (Kontrolle) erhielten die Eltern nur allgemeine Tipps zur Ernährung des Säuglings.
- In Gruppe 2 pflegten die Eltern ihre Kinder ab der zweiten Lebenswoche bis zum achten Monat an mindestens vier Tagen pro Woche mit feuchtigkeitsspendenden Ölbädern und einer Gesichtscreme.
- In Gruppe 3 erhielten die Säuglinge bereits ab der 12.–16. Woche schrittweise zusätzlich Erdnüsse, Kuhmilch, Weizen und Eier (etwa viermal pro Woche).
- In Gruppe 4 erfolgten beide Interventionen, d.h. Hautpflege und Zufüttern.
Bei der Untersuchung der Einjährigen fanden die Wissenschaftler keine relevanten Unterschiede zwischen den vier Gruppen hinsichtlich der Häufigkeit des atopischen Ekzems. Es hatte sich jeweils bei 5–11 % der Kinder manifestiert. Über generelle Hautsymptome wurde in der Kontrollgruppe am seltensten berichtet.
Zu ähnlichen Ergebnissen kam die Gruppe um Dr. Joanne R. Chalmers vom Centre for Evidence Based Dermatology der Universität Nottingham. Die Briten hatten nur Hochrisikokinder in ihre Analyse einbezogen, d.h., mindestens ein Verwandter ersten Grades war Atopiker. Die Eltern von jeweils etwa 700 Neugeborenen erhielten entweder eine besondere Feuchtigkeitscreme, mit der sie ihr Kind bis zu seinem ersten Geburtstag täglich am ganzen Körper (außer der Kopfhaut) eincremen sollten, oder nur allgemeine Ratschläge zur Hautpflege.
Bis zu dem Zeitpunkt als die Kinder zwei Jahre alt waren, diagnostizierten die Wissenschaftler bei 23 % der Interventionsgruppe eine atopische Dermatitis. In der Kontrollgruppe war dies bei 25 % der Fall. Hautinfektionen traten in der Gruppe mit regelmäßiger Cremeapplikation häufiger auf als in der mit Standardpflege (15 % vs. 11 %).
Folglich empfiehlt es sich derzeit nicht, bei Säuglingen routinemäßig spezielle Emollienzien zu verwenden, um einem späteren atopischen Ekzem vorzubeugen – da sind sich Studienautoren und Kommentatorinnen einig. Allerdings hängen die Ergebnisse solcher Arbeiten stark von den verwendeten Emollienzien ab, geben Letztere zu bedenken.
Täglich cremen? Für Eltern kein leichtes Unterfangen
Zudem zeige eine Adhärenz von nur 30 % in der skandinavischen Studie, dass sich die Umsetzung regelmäßiger Interventionen bei Neugeborenen schwierig gestalte. Das stelle natürlich auch den Sinn von Prophylaxe-Empfehlungen infrage.
Inwieweit ihre Interventionen das Auftreten von Lebensmittelallergien beeinflussen, wollen die Dr. Skjerven und Kollegen in einer späteren Arbeit veröffentlichen.
Quellen:
1. Perrett K, Peters R. Lancet 2020; 395: 923-924; DOI: 10.1016/S0140-6736(19)33174-5
2. Skjerven HO et al. A. a. O.; 951-961; DOI: 10.1016/S0140-6736(19)32983-6
3. Chalmers JR et al. A. a. O.; 962-972; DOI: 10.1016/S0140-673(19)32984-8