Risikofaktor Testosteron: Androgendeprivation scheint Männer vor Coronainfektion zu schützen
Patienten mit Prostatakrebs infizieren sich deutlich seltener mit SARS-CoV-2, wenn sie eine Androgendeprivationstherapie (ADT) erhalten. Zudem verläuft die Erkrankung bei ihnen i.d.R. weniger schwer als bei Männern, deren Prostatakarzinome anders behandelt werden oder die unter anderen Tumoren leiden. Das haben Wissenschaftler um Dr. Monica Montopoli von der Universität Padua beobachtet. Sie hatten sich die Infektionsdaten aus der besonders stark betroffenen Region Venetien genauer angesehen und diese durch Angaben aus dem regionalen Tumorregister ergänzt.
Androgene sorgen für mehr Neutrophile Granulozyten
Etwa einer von 500 Männern in der Region erkrankte bis zum 1. April 2020 an COVID-19, wobei Krebspatienten allgemein ein etwa 80 % höheres Infektionsrisiko hatten als die übrige männliche Bevölkerung. Allerdings waren von den fast 5300 Prostatakrebs-Patienten unter Androgendeprivation nur vier mit SARS-CoV-2 infiziert – also weniger als einer von 1000. Bei den übrigen Männern mit Prostatakarzinom, die keine ADT erhielten, lag die Quote demgegenüber etwa viermal höher. Männer mit anderen Tumorentitäten waren sogar fünfmal häufiger SARS-CoV-2-positiv.
Ähnlich sah das Verhältnis bei den schweren Verläufen aus: Aufenthalte auf der Intensivstation oder Sterbefälle waren unter ADT zwischen vier- und sechsmal seltener. Ob sich daraus ableiten lässt, dass ein temporärer Androgenentzug auch bei Männern ohne Prostatakrebs eine Coronainfektion verhindern oder mildern könnte, müssten weitere Studien klären, so die Autoren. Auch über den Zusammenhang zwischen Testosteron und aggressiven COVID-19-Verläufen können die Autoren nur mutmaßen. Denkbar ist ein Einfluss auf das Protein TMPRSS2, das dem Coronavirus hilft, gesunde Zellen zu infizieren, und unter ADT herunterreguliert wird.
Androgene bewirken unter anderem eine Erhöhung der Neutrophilenzahl. Diese Zellen spielen beim sogenannten Zytokinsturm im Rahmen der Infektion eine Rolle.
Quelle: Montopoli M et al. Ann Oncol 2020; DOI: 10.1016/j.annonc.2020.04.479