Testosteronsubstitution Niedrige Werte vor Beginn erneut bestätigen
Ein 68-jähriger Mann fühlt sich müde und schlapp und klagt über Leistungseinbußen – sein Testosteronwert liegt bei 2,6 ng/ml. Was tun? Keinesfalls sollte man bei dieser Konstellation sofort mit einer probatorischen Testosteronsubstitution beginnen, betonte Prof. Dr. Stephan Petersenn, niedergelassener Endokrinologe aus Hamburg. Zunächst muss das Testosteron ein zweites Mal bestimmt werden, dies fordern auch die Krankenkassen vor Beginn einer Testosteronsubstitution.
Dies muss am Morgen erfolgen – nach 10 Uhr sind die Testosteronspiegel bereits 30 % niedriger. Kommt erneut ein deutlich zu niedriger Wert heraus, gilt es zuerst abzuklären, ob ein primärer oder sekundärer Hypogonadismus (z.B. aufgrund einer Hypophysenstörung) vorliegt. Niedrige Testosteronspiegel ohne Symptome sind keine Indikation für eine Substitution, betonte Prof. Petersenn.
Aufschlussreich bei Verdacht auf Hypogonadismus ist ein Gespräch über das Thema Sexualität, so der Experte. Symptome wie Libidoverlust, erektile Dysfunktion und Ausbleiben der Morgenerektion stützen die Diagnose. Auch erhöhte LH-Spiegel, unklare Anämien und Osteoporose sind wertvolle Hinweise. Wenig hilfreich für die Diagnose sind dagegen unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Stimmungstief, Schwächegefühl oder Muskelabbau.
Liegen die Testosteronwerte unter 2,3 ng/ml, kann von einem Defizit ausgegangen werden. Bei Werten über 3,4 ng/ml ist ein Testosteronmangel praktisch ausgeschlossen. Dazwischen liegt aber eine Grauzone, in der es vor allem auch auf die Symptomatik ankommt.
Die Testosteronbestimmung hat einige Tücken. So haben Veränderungen des SHBG-Spiegels immer auch Auswirkungen auf die gemessenen Testosteronwerte, was bei der Interpretation berücksichtigt werden muss. Erniedrigtes SHBG geht mit zu niedrig gemessenen Testosteronspiegeln einher. Dies ist z.B. bei Adipositas, Diabetes, nephrotischem Syndrom, Hypothyreose oder unter einer Glukortikoidtherapie der Fall.
Bei erhöhten SHBG-Spiegeln – z.B. im höheren Lebensalter, bei Hepatitis, HIV-Infektion, Hyperthyreose oder Einnahme von Antiepileptika – kann der Testosteronwert fälschlicherweise zu hoch gemessen werden, was einen Hypogonadismus verschleiern kann.
Die Bestimmung von freiem Testosteron, die von einigen Laboren angeboten wird, ist keine Alternative. Die Messmethoden sind hier viel zu ungenau, um klare Aussagen machen zu können, sagte der Endokrinologe.
Bericht: DGIM-Talk- "Klug entscheiden"