Thromboseprophylaxe Risikoreduktion für Mutter und Kind
Das Risiko einer venösen Thromboembolie (VTE) ist bei Schwangeren vier- bis fünffach höher als bei Nichtschwangeren. Es steigt mit fortschreitender Gravidität an und liegt um den Geburtstermin am höchsten, schreiben Prof. Dr. Birgit Linnemann vom Universitären Gefäßzentrum Ostbayern in Regensburg und Kollegen.
Bei maximal 2 von 1.000 Schwangerschaften treten VTE auf, häufig handelt es sich um iliofemorale und Beckenvenenthrombosen. Der Grund: Hormonbedingt werden Gerinnungsfaktoren vermehrt exprimiert, Protein S ist weniger aktiv und es besteht eine Resistenz gegen aktiviertes Protein C. Daraus resultiert eine Hyperkoagulabilität. Begünstigend wirkt die mechanische Kompression der Beckenvenen und der Vena cava durch den schwangeren Uterus.
Die Hyperkoagulabilität allein wäre kein Grund, bei jeder Schwangeren eine Thromboseprophylaxe zu starten. Kommen aber weitere Risikofaktoren hinzu (siehe Kasten), ist diese Maßnahme eine Überlegung wert. Am schwersten ins Gewicht fällt dabei eine Thromboembolie in der Vorgeschichte, insbesondere wenn das Ereignis spontan oder hormonassoziiert (Kontrazeptivumeinnahme) auftrat. Dann ist für mindestens sechs Wochen nach der Entbindung eine Prophylaxe indiziert. Ansonsten gilt, dass ein Risikofaktor alleine in der Regel nicht ausreicht, um eine Prophylaxe zu begründen.
Risikofaktoren für eine venöse Thromboembolie in der Schwangerschaft
Vor der Schwangerschaft
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VTE in der Vorgeschichte
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Familienanamnese für VTE
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hereditäre Thrombophilie
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Alter > 35 Jahre
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Adipositas (BMI > 30 kg/m2)
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Rauchen
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Stammvarikosis
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Komorbiditäten (z.B. Herzinsuffizienz, Rheuma, Tumor)
In der Schwangerschaft
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künstliche Befruchtung
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ovarielles Hyperstimulations-
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syndrom
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Mehrlingsschwangerschaft
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drei oder mehr vorausgegangene Entbindungen
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Dehydratation, Hyperemesis
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gravidarum
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Präeklampsie
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Immobilisation ≥ 4 Tage
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Hospitalisierung
Während/nach der Entbindung
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prolongierter Geburtsverlauf
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Sectio caesarea
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systemische Infektion
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postpartale Blutung
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Transfusionsbedarf
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Frühgeburt
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Totgeburt
Auch Familienanamnese ist entscheidend für Prophylaxe
Über die Hälfte aller Frauen mit einer VTE in der Schwangerschaft haben eine Thrombophilie. Am häufigsten lassen sich die Prothrombin-G20210A-Mutation und die Faktor-V-Leiden-Mutation nachweisen. Bei heterozygoter Ausprägung dieser Mutationen und leerer Familienanamnese beträgt das VTE-Risiko nur ca. 1 %. Eine Prophylaxe ist dann nicht indiziert, bei homozygoter Konstellation und/oder venöse Thromboembolie in der Familie allerdings schon. Antithrombin-, Protein-C- und Protein-S-Mangel finden sich seltener. Es gibt jeweils mehrere Hundert verschiedene Mutationen. Das Risiko hängt von der Ausprägung des Mangels ab. Daraus und aus der Familienanamnese ergibt sich die Indikation für eine Prophylaxe.
Beim Antiphospholipid-Syndrom handelt es sich um eine erworbene Thrombophilie, die gehäuft mit Schwangerschaftskomplikationen wie intrauteriner Fruchttod, Frühaborte und Frühgeburten einhergeht. Bei Nachweis der relevanten Antikörperentitäten und insbesondere bei weiteren Risikofaktoren ist eine Thromboseprophylaxe indiziert.
Die Prophylaxe einer venösen Thromboembolie erfolgt hauptsächlich mit Medikamenten und Kompressionsstrümpfen. Eindeutige Evidenz, welche Schwangere tatsächlich davon profitiert und welche nicht, konnte aber auch ein Cochrane-Review von 2021 nicht liefern. Man muss jeden Fall individuell beurteilen. Hauptkriterium: Der Nutzen der Prophylaxe muss die Risiken (vor allem Blutungen) überwiegen. Zur Einschätzung hilft ein Risikoassessment, das jede Frau mit der Planung bzw. dem Beginn einer Schwangerschaft erhalten sollte. Ein Thrombophilie-Screening wird nur dann notwendig, wenn es therapeutische Konsequenzen hätte. Allerdings sollte man es möglichst nicht in der Schwangerschaft durchführen, da sich die Ergebnisse dann schwer interpretieren lassen.
Bei den Medikamenten sind niedermolekulare Heparine erste Wahl. Alternativ – bei schweren Nebenwirkungen – kommen Fondaparinux und Danaparoid infrage.
Antikoagulation 12 h vor Sectio pausieren
NOAK eignen sich wegen des möglicherweise erhöhten Risikos für Fehlbildungen und Aborte nicht. Orale Antikoagulanzien wie Phenprocoumon sind ebenfalls zu vermeiden, weil sie transplazentar auf das Ungeborene übergehen können. Eine Antikoagulation sollte bei einer Sectio sowie bei einer Peridural- oder Spinalanästhesie zwölf Stunden zuvor pausiert werden. Bei Spontanentbindung dagegen beginnt die Heparinpause erst bei einsetzenden Wehen.
Quelle: Linnemann B et al., internistische praxis 2024; 67: 383–397