COVID-19 Rund 7 % der Suizide in Sachsen zeigen Zusammenhang mit der Pandemie

Autor: Alexandra Simbrich

Gewaltsame Todesfälle scheinen in Zusammenhang mit der Pandemie und der Übersterblichkeit im Jahr 2020 in Sachsen zu stehen. Gewaltsame Todesfälle scheinen in Zusammenhang mit der Pandemie und der Übersterblichkeit im Jahr 2020 in Sachsen zu stehen. © ImageFlow – stock.adobe.com

Die höhere Sterbeziffer im ersten Corona-Jahr geht nicht nur auf die Infektionskrankheit selbst zurück: Forschern zufolge führten u.a. Ausgangs- und Reisebeschränkungen sowie Veränderungen im beruflichen und sozialen Umfeld zu mehr gewaltsamen Todesfällen, insbesondere Suiziden.

In der COVID-19-Pandemie gab es in vielen Ländern eine Übersterblichkeit. Ob dies auch für Deutschland gilt, wird noch diskutiert. Zumindest für Sachsen aber weist das Statistische Landesamt eine Übersterblichkeit von 13 % für 2020 aus, 2021 gab es dort sogar 18 % mehr Sterbefälle als im Durchschnitt der präpandemischen Jahre 2015–2019. Die erhöhten Todeszahlen gehen allerdings nicht nur auf das Konto von Coronainfektionen, sagen ­Sara ­Keimling vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Leipzig und Kollegen. Zusätzlich zur gestiegenen Krankheitslast seien nämlich erstmals auch gewaltsame Todesfälle aufgetreten, die mit einer Pandemie im Zusammenhang stehen.

Die Wissenschaftler werteten die anonymisierten Sektionsgutachten des Leipziger Instituts für Rechtsmedizin aus dem Jahr 2020 aus, die eine nicht-natürliche Todesursache wie Suizid und Homizid ergeben hatten. Auch kriminalpolizeiliche Ermittlungsunterlagen wie Abschiedsbriefe oder Zeugenaussagen wurden für die Auswertung herangezogen.

Während Suizide in Sachsen in den präpandemischen Jahren 2015 bis 2019 insgesamt zurückgingen, stieg die Zahl der Selbsttötungen im Jahr 2020 um ca. 8,7 % zum Vorjahr an, dieser Zuwachs war allerdings nicht-signifikant. Von den 72 Suiziden im Jahr 2020 wiesen fünf (6,9 %) einen Bezug zur COVID-19-Pandemie auf. Unter den 14 anderen tödlichen Gewaltdelikten stuften die Forscher einen Fall (7,1 %) als pandemiebedingt ein. Insbesondere Ausgangsbeschränkungen, Reiseverbote, Veränderungen im beruflichen und sozialen Umfeld sowie die Angst vor einer COVID-19-Infektion ließen sich als Gründe für die Suizide und den Homizid ausmachen. Fast alle Suizidenten wiesen zudem Begleit­erkrankungen auf, am häufigsten (jeweils 60 %) psychische Störungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Nach Einschätzung der Autoren ist die COVID-19-bedingte Übersterblichkeit in Sachsen im Jahr 2020 demnach zumindest teilweise auch auf gewaltsame Todesfälle im Zusammenhang mit der Pandemie zurückzuführen. Quarantäneregeln, Ausgangsbeschränkungen und die Verunsicherung in der Pandemie hätten offenbar bei vielen Menschen zu Ausnahme- und Überforderungssituationen geführt.

Quelle: Keimling S et al. Rechtsmedizin 2023; 33: 112-118; DOI: 10.1007/s00194-022-00598-6