Salzverlustsyndrom von ADH-Überproduktion abgrenzen
Eine Frau war beim Skifahren schwer auf den Kopf gestürzt, hatte aber dank des Helmes, der dabei zu Bruch ging, keine akuten Verletzungen. Erst zehn Tage später traten plötzlich Krämpfe in Händen und Bauchmuskulatur auf. Bis auf die Krämpfe fühlte sie sich gesund und beschrieb nur ein ungewohntes Durstgefühl.
Bei Aufnahme in die Klinik bestanden normale Vitalparameter, die körperliche Untersuchung zeigte die weiterhin vorhandenen karpalen Spasmen und Parästhesien. Außerdem fielen den Kollegen trocken wirkende Schleimhäute auf, berichtet das Team um Dr. Martin Kächele von der Sektion für Nephrologie der Klinik für Innere Medizin, Universitätsklinik Ulm.
Das Labor ergab eine ausgeprägte Hyponatriämie, mit 112 mmol/l (Normbereich 135–145), dazu kamen eine leichte Hypokalzämie, deutlich verminderte Werte für Chlorid, Phosphat sowie Harnsäure im Blut und eine verminderte Gesamtosmolalität. Im Urin zeigte sich demgegenüber eine exzessive Natrium-Ausscheidung (131 mmol/l vs. normal 2,9–33,6 mmol/l) bei ansonsten normaler Nierenfunktion. Außerdem stellte man eine (einmalig gemessene) Hyperkortisolämie und eine Hyporeninämie fest, das Aldosteron lag im Referenzbereich. Der Neurologe fand in CT, MRT und EEG keine Aufreger. Die Sonographie des Abdomens zeigte schließlich eine schmale, stark atemmodulierte V. cava – der entscheidende Hinweis auf einen Volumenmangel.
Vor Erhalt der Befunde setzen die Mediziner eine Volumentherapie in Form von 0,9%iger NaCl-Lösung an. Nachdem darunter der Natriumwert weiter in den Keller ging, dachten die Ärzte zunächst an ein SIADH* und verordneten Zurückhaltung bei der Flüssigkeitszufuhr. Das besserte die Situation aber nicht: Die Patientin schied weiterhin übergroße Urinmengen aus (120 ml/h). Die klinischen Befunde ließen die Ulmer Kollegen umdenken: Sie vermuteten ein zerebrales Salzverlustsyndrom, auch wenn die Bildgebung keine passenden anatomischen Korrelate im Gehirn ergeben hatte.
Mit Hydrokortison besserte sich der Zustand deutlich
Die Frau erhielt daraufhin erneut isotone Kochsalzlösung, zusätzlich substituierten die Mediziner Kaliumchlorid und Phosphat und setzten Hydrokortison 2 mg/kgKG an. Und siehe da: Innerhalb von wenigen Stunden sank die Natriumausscheidung im Urin auf Normwerte, die Krämpfe, wohl durch den Kalziummangel entstanden, besserten sich und nach vier Tagen war der Elektrolythaushalt ausgeglichen. Hydrokortison wurde in der Folge ausgeschlichen und bei einer Kontrolle zwei Wochen nach der Entlassung fühlte sich die ehemals Kranke wieder topfit. Die Kasuistik zeigt, wie wichtig bei einem vermuteten SIADH die Differenzialdiagnose eines zentralen Salzverlustsyndroms ist, betonen die Autoren. Denn obwohl Überlappungen bestehen, unterschieden sich die Vorgehensweisen beträchtlich (siehe Bild rechts).
* Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion
Quelle: Kächele M et al. Internist 2020; 61: 91-95; DOI: 10.1007/s00108-019-00697-9