Noceboeffekt So gelingt der Switch auf Biosimilars
In klinischen Studien lässt sich der Noceboeffekt an der Anzahl der Therapieabbrüche unter Scheinmediaktion erkennen. Diese Nocebo-Dropout-Rate betrug z.B. in Metaanalysen zu Fibromyalgie stolze 9,5 %, berichtete Dr. Eurydiki Kravvariti von der National and Kapodistrian University of Athens. Doch auch ohne Scheinbehandlung kann es einen Noceboeffekt geben. Besonders relevant ist dieser bei der Transition von Biologika zu Biosimilars, wie zahlreiche Untersuchungen zu Antirheumatika unterstreichen.
Erfolgt der Wechsel in verblindeten Studien, brechen etwa 2–5 % der Patienten die Therapie mit Biosimilars vorzeitig. In einem offenen Studiendesign erhöht sich diese Rate: 15–30 % der Patienten, die statt des Biologikums wissentlich auf ein Biosimilar umgestellt worden waren, beendeten aufgrund subjektiv empfundener geringerer Wirkung oder unerwünschter Nebenwirkungen die Behandlung vorzeitig. Auch wenn nicht hinter all diesen Therapieabbrüchen eine negative Erwartungshaltung stecken dürfte – mit einem hohen Anteil von Noceboeffekten ist beim Biologika-Biosimilar-Switch trotzdem zu rechnen, betonte die Referentin.
Manche Patienten sind empfänglicher für einen Noceboeffekt als andere. Das Risiko dafür wird durch Vorurteile, mangelndes Wissen und die folgenden Faktoren erhöht:
- individuelle Faktoren und Komorbiditäen: u.a. weibliches Geschlecht, Hang zur Somatisierung und Katastrophisierung, Fibromyalgie, Depressionen oder Ängstlichkeit
- chronischer Schmerz
- vorangegangenes Therapieversagen anderer Wirkstoffe
- ablehnende Haltung anderen Therapien gegenüber, z.B. Impfen
- extensives Recherchieren (online und Informationsmaterial)
Den größten Einfluss auf nocebo-empfängliche Patienten hat Dr. Kravvariti zufolge der behandelnde Arzt. Zeigt sich dieser über kleine nonverbale Zeichen unsicher oder besorgt, kann das bereits negativ auf den Patienten wirken. Die Expertin rät: Augenkontakt suchen, lächeln und mit ruhiger und freundlicher Stimme sprechen. Zusätzlich hilft es, ggf. zustimmend zu nicken sowie offen und geduldig zuzuhören.
Entscheidend ist auch die Art und Weise, wie der behandelnde Arzt den Medikamentenwechsel kommuniziert. Mit der richtigen Strategie lassen sich Placeboeffekte fördern und Noceboeffekte reduzieren. So sollten im Gespräch unbedingt negative oder beängstigende Ausdrücke vermieden werden. Medizinerjargon ist ebenso verboten wie doppeldeutige Aussagen: Die Botschaften müssen für den Laien klar verständlich sein und sind positiv zu formulieren. Wer sicherstellen will, ob der Patient alles verstanden hat, kann ihn bitten, das Besprochene in eigene Worten zu fassen. Keinesfalls vergessen werden darf die Nachfrage, wie sich der Patient fühlt und welche Gedanken er hinsichtlich des Wechsels hat.
Drei Tipps gegen den Nocebo
- Keine Unsicherheit verbreiten! Statt das Biosimilar mit einem „dieser Wirkstoff könnte helfen“ oder „Lassen sie es uns mit diesem Medikament versuchen“ anzukündigen, heißt es besser: „Ich möchte mit Ihnen über dieses neue Medikament sprechen. Es ist genauso sicher und effektiv wie das alte, aber preisgünstiger“.
- Nicht das Negative betonen! „Für Ihre Sicherheit und Gesundheit ist es wichtig, dass Sie sich an unseren Plan halten“, klingt deutlich positiver als „Sie sind ein Hochrisikopatient“.
- Nicht trivialisieren! Ängstliche oder besorgte Patienten beruhigt man mit einem „Sie brauchen sich gar keine Sorgen zu machen“ kaum; besser reagiert man mit „Wenn irgendetwas Ungewöhnliches auftritt, können Sie mich gut in der Praxis erreichen“.
Behandlungsziel gemeinsam formulieren
Essenzieller Teil der Anti-Nocebo-Kommunikationsstrategie ist außerdem, den Patienten aktiv in die Therapie einzubinden. Dazu gehört, seine Eigenständigkeit zu respektieren und das Vertrauen in die Selbstmanagement-Fähigkeiten auszudrücken. Das Behandlungsziel sollte realistisch sein und immer gemeinsam mit dem Patienten formuliert werden.
Informationen sind das A und O für die Adhärenz. Die beste Art, den Patienten ausreichend damit zu versorgen, ist die Kombination aus Broschüren und nachfolgendem Gespräch. Ausgesuchte Videos oder Inhalte aus dem Internet unterstützen die Wissensvermittlung. Entscheidend ist das richtige Maß: Die Information müssen klar und einfach sein, damit der Patient nicht von ausufernden Inhalten erschlagen wird.
Kongressbericht: European Congress of Rheumatology 2022