Rektumkarzinom So gelingt Organerhalt
Bis vor Kurzem war die bestmögliche Behandlung bei einem Rektumkarzinom im Stadium II/III die neoadjuvante Radio(chemo)therapie, erklärte Prof. Dr. Ralf-Dieter Hofheinz vom Krebszentrum der Universitätsmedizin Mannheim. Inzwischen stehen für die potenziell kurative Therapie verschiedene total-neoadjuvante und perioperative Konzepte mit Strahlen- und Systemtherapien zur Wahl. Darunter sind auch Strategien, die die Chance auf einen Organerhalt durch Verzicht auf die OP bieten, wenn nach totaler neoadjuvanter Therapie (TNT) eine klinische Komplettremission (cCR) erreicht wird. Der Experte empfahl, vor Ort mit Kolleg:innen aus der Radioonkologie und Chirurgie abzustimmen, was den Betroffenen angeboten werden kann, um ihnen gegenüber mit einer Stimme zu sprechen.
Der erste Schritt auf dem Weg zur Therapieentscheidung beim lokalisierten Rektumkarzinom ist die Testung des Mikrosatellitenstatus, betonte er. Etwa 2–4 % der Patient:innen mit lokalisiertem Rektumkarzinom weisen eine defiziente Mismatch-Reparatur (dMMR) beziehungsweise eine hohe Mikrosatelliten-Instabilität (MSI-H) auf. Sie haben nach einer neoadjuvanten Therapie mit dem Checkpoint-Inhibitor Dostarlimab eine sehr hohe Chance auf eine dauerhafte cCR mit Organerhalt. In der Kohorte, in der diese Therapie das erste Mal beschrieben wurde, hatten nach Abschluss der sechs- bis achtmonatigen Therapie alle Betroffenen eine klinische Komplettremission erreicht und unter Beobachtung auf eine OP verzichtet. Bislang entwickelte niemand ein Rezidiv. „Die Tumoren sind meist erst nach sechs Monaten weg“, ergänzte der Referent und betonte, es sei wichtig, die Erkrankten so lange bei der Stange zu halten.
Tab. 1: Definition der cCR nach TNT | |
---|---|
Untersuchung | Kriterien |
Digitale Rektale Untersuchung (DRE) und Rektoskopie | kein palpabler Tumor, kein residuelles Tumormaterial oder nur ein kleines residuelles erythematöses Ulkus oder eine kleine residuelle Narbe |
MRT | substanzielle Größenreduktion („Downsizing“) ohne erkennbares residuelles Tumormaterial oder nur residuelle Fibrose (mit begrenztem Signal in der Diffusionsgewichtung), manchmal assoziiert mit einer residuellen Wandverdickung durch ein Ödem, keine verdächtigen Lymphknoten |
Endoskopie mit Biopsie | nicht obligatorisch; eine Biopsie sollte nicht erfolgen, insbesondere nicht, wenn die cCR-Kriterien in der DRE, Rektoskopie und MRT erfüllt sind |
Totale neoadjuvante Therapie
Ansonsten stellt die totale neoadjuvante Therapie die präferierte Option bei lokal weit fortgeschrittenen Karzinomen dar. Sie kann als Radiochemotherapie oder Radiatio mit 5x5 Gy erfolgen. Eine Konsolidierungs-Chemotherapie über drei bis viereinhalb Monate mit einer Fluoropyrimidin-Platin-Dublette kann sich anschließen. „Damit fühle ich mich bei einer großen Tumormasse wohler“, meinte Prof. Hofheinz. Besteht der Wunsch nach einem Organerhalt, empfehle sich, die TNT mit der Radiatio zu beginnen. Das Ziel ist durchaus realistisch: Ein Verzicht auf eine totale Mesorektumexzision (TME) gelang in der OPRA-Studie über fünf Jahre bei etwa der Hälfte der Patient:innen.
Der Experte riet zu einem Zwischenstaging nach fünf bis sechs Wochen TNT, um frühzeitig ein Nichtansprechen zu entdecken und eine OP planen zu können. Liegt nach Ende der Strahlenchemotherapie bzw. totaler neoadjuvanter Therapie eine cCR vor, kann auf die Operation verzichtet werden. Wichtig ist die Beurteilung des Ansprechens durch qualitätsgesicherte bildgebende Verfahren und erfahrene Untersuchende. Die Onkopedia-Leitlinie empfiehlt die cCR-Kriterien gemäß Fokas (s. Tabelle).
Da Rezidive nach TNT mit cCR und organerhaltendem Vorgehen zu 90 % in den ersten zwei Jahren auftreten, raten Fachleute, in dieser Zeit alle drei Monate eine Kontrolle inklusive MRT und Endoskopie durchzuführen. Fallen dabei kleine Veränderungen wie eine irreguläre Mukosa oder kleine Knötchen auf, sollten diese Befunde nach acht Wochen erneut kontrolliert werden. Wenn diese Veränderungen dann immer noch bestehen, empfahl Prof. Hofheinz, Betroffenen zur OP zu raten und nicht zu lange zu warten.
Quelle:
Hofheinz RD. DGHO-Jahrestagung 2024; Vortrag V253