Selbstverletzendes Verhalten Stiller Schrei nach Hilfe

Autor: Maximilian Rossol

Bei jungen Frauen in Nordamerika und Europa steigt die Prävalenz der nicht-suizidalen Selbstverletzungen an. Bei jungen Frauen in Nordamerika und Europa steigt die Prävalenz der nicht-suizidalen Selbstverletzungen an. © Azeemud-Deen Jacobs-stock.adobe.com

Nicht-suizidale Selbstverletzungen nehmen bei Jugendlichen zu. Regionale und geschlechterspezifische Unterschiede bei dem Warnsignal für spätere Suizidversuche sind noch nicht gut erforscht.

Selbstverletzendes Verhalten ohne direkte Absicht der Selbsttötung ist meist ein Vorbote von Suizidversuchen. Vor allem bei jungen Frauen in Nordamerika und Europa stieg die Prävalenz der nicht-suizidalen Selbstverletzungen an. Regionale und geschlechterspezifische Trends sind aber nur wenig erforscht. Dr. Fiona Moloney von der University of Toronto und Kollegen führten dazu eine Metaanalyse durch. Die Wissenschaftler berücksichtigten 38 Studien, publiziert zwischen 2000 und 2022, mit insgesamt 266.491 Teilnehmern aus Europa, Nordamerika, Asien und Australien. Eingeschlossen wurden Jugendliche im Alter von 10 bis 19 Jahren ohne suizidale Absicht in ihrem selbstverletzendem Verhalten.

Die gepoolte Gesamtprävalenz lag bei 17,7 %. Aufgeteilt nach Geschlecht berechneten die Forscher Prävalenzen von 21,4 % bei weiblichen und 13,7 % bei männlichen Jugendlichen. Die Analyse zeigte, dass nicht-suizidale Selbstverletzungen besonders in Nordamerika (Odds Ratio, OR 2,49) und Europa (OR 2,08) bei weiblichen Jugendlichen doppelt so häufig vorkommt wie bei männlichen Jugendlichen. Im asiatischen Raum konnten die Forscher keine signifikante Geschlechterdifferenz in der Prävalenz feststellen –bei männlichen Jugendlichen lag sie dort aber höher als in anderen Regionen.

Die Metaanalyse berücksichtigte weder Geschlechtsidentitäten, Genderdysphorie noch die gesamte Einkommenspannbreite. Weiterführende Studien sollten sich zudem mit dem Einfluss soziokultureller Unterschiede auf das selbstverletzende Verhalten befassen.

Dr. Ellen-ge Denton und Dr. Kiara Álvarez von der Universität Rochester plädieren in einem begleitenden Kommentar dafür, neue Interventionsansätze entsprechend kulturell und regional anzupassen. Dem heutigen Zeitgeist entsprechend sind vor allem (soziale) mediengestützte Präventionsstrategien von Nutzen und wichtig. Ein internetbasiertes Emotionsregulationstraining hat sich als besonders effektiv erwiesen und sollte weitergeführt und ausgebaut werden, so die Autorinnen.

Quellen: 
Moloney F et al. JAMA Network Open 2024; doi: 10.1001/jamanetworkopen.2024.15436
Denton E, Álvarez K. JAMA Network Open 2024; doi: 10.1001/jamanetworkopen.2024.15406