Impfschutz Strategien gegen die Grippe von morgen

Autor: Tobias Stolzenberg

Um die Bevölkerung vor Influenza zu schützen, braucht es deutlich mehr Aufklärung. Um die Bevölkerung vor Influenza zu schützen, braucht es deutlich mehr Aufklärung. © Tierney – stock.adobe.com

Aufatmen nach Corona? Von wegen: Die Influenza meldete sich mit voller Kraft zurück. Und immer steht am Horizont das Schreckgespenst einer erneuten Pandemie, dann mit dem Influenzavirus. Auch deswegen wird intensiv an neuen Vakzinen gearbeitet.

Mit dem Ende der COVID-19-Pandemie ist die Influenza zum saisonalen Muster zurückgekehrt. Die vergangene Grippesaison hat allerdings ungewöhnlich lang angedauert, mit zum Teil hohen Fallzahlen auch bei den schweren Verläufen, beschrieb Prof. Dr. Tino Schwarz vom Institut für Labormedizin am Klinikum Würzburg Mitte. Viele junge Menschen seien betroffen gewesen, ältere eher weniger. „Viele der Infektionen, den Andrang in den Arztpraxen und auch die starke Inanspruchnahme der influenzabedingten Notaufnahmen hätten wir verhindern können, wenn wir gescheit geimpft hätten“, so der Referent. „Doch wieder haben wir es nicht geschafft, dem Bürger zu erklären, was eine Influenza ist.“ 

Für die Prävention der Virusgrippe sind inzwischen eine ganze Reihe von Impfstoffen im Einsatz, die auf unterschiedlichen Technologien basieren und bei unterschiedlichen Altersgruppen angewendet werden, gab der Labormediziner und Impfexperte einen Überblick. Bei den eibasierten Vakzinen stehen der Standard-, der Hochdosis- und der MF59-adjuvantierte Impfstoff zur Verfügung. Des Weiteren gibt es ein zellkulturbasiertes Präparat, das ab dem Alter von zwei Jahren zugelassen ist. Ein rekombinanter, aus Insektenzellkulturen gewonnener Impfstoff hat zwar die EU-weite Zulassung für Patienten ab 18 Jahren, wurde aber in Deutschland bislang nicht eingeführt. Für Kinder und Jugendliche ist als Alternative zu den parenteral zu verabreichenden ein lebend-attenuierter Impfstoff als Nasenspray verfügbar.  

Prof. Schwarz verwies auf das weite Spektrum pulmonaler, neurologischer, renaler und kardialer Komplikationen, die durch das Influenza-A-Virus ausgelöst werden können. So ist etwa das Risiko, in den ersten ein bis drei Tagen der Infektion einen Myokardinfarkt zu erleiden, durch das Virus um das Sechsfache erhöht, machte er die Dringlichkeit der Impfprävention für bestimmte Personengruppen deutlich. „Eigentlich müsste jeder Kardiologe konsequent die Grippeimpfung empfehlen.“

Impfschutz im Doppelpack

Kann man Grippe- und die neuen RSV-Impfstoffe in einer einzigen Sitzung geben? Ja, das geht ohne Weiteres, zeigte Prof. Schwarz anhand von Studiendaten. Das gelte bei entsprechender Indikation auch für Erwachsene unter 60 Jahren, etwa für Schwangere. Immundefiziente Menschen mit hämatologischen und onkologischen Erkrankungen ab 18 Jahre sowie Erwachsene jeden Alters mit schweren pulmonalen und kardiovaskulären Vorerkrankungen lassen sich also ebenfalls mit nur einem Impftermin schützen. Für diese Patienten gilt eine Off-Label-Empfehlungen der entsprechenden Fachgesellschaften, berichtete der Impfexperte. Möglicherweise kommt im Laufe dieses Jahres zudem die Zulassungserweiterung für einen der RSV-Impfstoffe schon ab dem Alter von 50 Jahren, stellte er in Aussicht.

Kürzlich wurde von der EMA die Zulassung für den adjuvantierten quadrivalenten Influenzaimpfstoff auf Menschen ab 50 Jahre erweitert, berichtete Prof. Schwarz. Zuvor hatte die Altersgrenze bei 65 Jahren gelegen. Insbesondere für Patienten mit Komorbiditäten wie Herzerkrankungen, Malignomen oder chronischen Nierenerkrankungen kann die frühere Verfügbarkeit von Vorteil sein, betonte er. Bislang hätten viele Kollegen in dieser Situation off label den Hochdosisimpfstoff gegeben, der erst ab einem Alter von 60 Jahren vorgesehen ist. „Mit der MF59-adjuvantierten Vakzine haben wir jetzt eine zugelassene Alternative.“ 

Klassischerweise erfolgt die Produktion eines Grippeimpfstoffs mithilfe von Hühnereiern. Während des Herstellungsprozesses erwirbt das Impfvirus im Zuge der sogenannten Eiadaptation Aminosäureveränderungen insbesondere im Bereich des Hämagglutinins, die ihm die Replikation im Ei erleichtern. Dadurch verändert sich jedoch die Antigenität des Virus und die Effektivität des Impfstoffs nimmt ab. Mit der Produktion in Säugerzellen lässt sich das Problem der Eiadaptation umgehen, erläuterte Prof. Schwarz. Auf diese Art hergestellte Impfstoffe scheinen effektiver vor der Influenza zu schützen als die in Hühnereiern produzierten. In Großbritannien habe man bereits entsprechend reagiert und setzt bei Patienten unter 60 Jahren bevorzugt auf die zellkulturbasierten Medikamente, so Prof. Schwarz.

Künftig werden auch mRNA-basierte Influenzaimpfstoffe, zum Teil als Kombinationspräparate gegen das respiratorische Synzytial-Virus (RSV) und SARS-CoV-2 als weitere Alternative bereitstehen, gab der Referent einen Ausblick in die Zukunft. Grippevakzine auf mRNA-Basis lassen sich schneller an die verschiedenen Virustypen und -subtypen anpassen, sie sind schneller zu produzieren und sie dürften auch billiger sein als die derzeit verfügbaren Arzneimittel, zählte er die Vorteile der Technologie auf. „Sie bringen auch zusätzliche Antigene mit, die in den bisherigen Impfstoffen nicht enthalten sind.“ Je nach Hersteller könnten diese Arzneimittel neben dem Hämagglutinin auch die Neuraminidase als Antigen abdecken, möglicherweise noch das Nukleo- und das Matrixprotein des Influenza-A-Virus.

„Die Grippe ist ein Problem, und sie betrifft uns alle“, schloss Prof. Schwarz sein Update zu den Influenzavakzinen. „Das müssen wir unseren Patienten immer wieder klarmachen.“ Die Impfindikation müsse erweitert werden und auch die Kinder einschließen. „Wenn wir die Wartezimmer, die Kliniken und Praxen entlasten wollen, dann müssen wir breiter impfen.“

Quelle: Kongressbericht 25. Forum Reisen und Gesundheit