Süchte und Adipositas ähneln sich stärker als gedacht
Exzessives Essen scheint in mancher Hinsicht süchtigem Verhalten zu gleichen. Man verliert schier die Kontrolle über sein Tun, wird tolerant gegenüber immer größeren Nahrungsmengen und bekommt Entzugserscheinungen, wenn man dem Verlangen nicht nachgibt. Doch ist das dann eher eine Verhaltenssucht, bei der der Prozess des Konsums im Mittelpunkt steht? Oder gibt es bestimmte Inhaltsstoffe in der Nahrung, die ähnlich wie Substanzen abhängig machen? Fette, Salz oder Zucker zum Beispiel?
Bei Adipositas kann man einige Aspekte der Nahrungsaufnahme als „addictive“ bezeichnen, sagte Professor Dr. Martina de Zwaan, Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover. Genau wie Süchtige agieren krankhaft Übergewichtige häufiger impulsiv – kombiniert mit einem Mangel an Kontrolle. Auf der anderen Seite erfüllen viele adipöse Patienten die DSM-5-Kriterien einer Substanzkonsumstörung, laut der Yale-Food-Addiction-Scale 15–25 %. Bei Adipositas Grad 3 und Binge-Eating-Störung sogar bis zu 57 %.
Auch neurobiologisch ähneln sich Adipöse und Suchtkranke. So weisen beide bspw. weniger striatale Dopaminrezeptoren auf. Ebenso fand sich in fMRT-Studien eine veränderte neuronale Aktivierung, wenn stark fettleibigen Patienten Lebensmittel präsentiert wurden. Die Datenlage ist allerdings alles andere als eindeutig. „Für jedes Studienergebnis gibt es ein anderes, das diesem widerspricht“, so Prof. de Zwaan.
Suchtmodell könnte Stigmatisierung reduzieren
Die Forschung kann bisher jedoch nicht beweisen, dass Adipositas tatsächlich eine Suchterkrankung ist. „Es ist aber möglich, dass es eine Subgruppe unter den Adipösen gibt, für die man das Label Food Addict verwenden kann“, meinte die Referentin. Bei ihnen erklärt das Suchtmodell, wie sich Fettleibigkeit entwickelt. Zudem kann es laut Prof. de Zwaan helfen, Stigmatisierung und Schuldzuweisungen von Adipösen zu reduzieren.
Quelle: Kongressbericht, 34. Jahrestagung der Deutschen Adipositas Gesellschaft