Psychotherapie als Basis der Adipositas-Behandlung
Bereits seit ihrem zehnten Lebensjahr litt die 35-jährige Patientin unter Adipositas. Mithilfe von Diäten hatte sie zeitweise bis zu 30 Kilo abgenommen, dennoch ließ der Jo-Jo-Effekt nie lange auf sich warten. Bald wog die 175 cm große Frau 119 kg. Durch die 6-monatige Teilnahme an einem geführten ambulanten Gewichtsreduktionsprogramm gelang es ihr schließlich, 8,4 kg abzunehmen und ihre Ernährungsgewohnheiten langfristig umzustellen sowie Sport und Bewegung in ihren Alltag zu integrieren.
Jede vierte Frau und jeder fünfte Mann sind fettleibig
In Deutschland sind rund 23 % der Frauen und 19 % der Männer adipös (BMI ≥ 30 kg/m2). Komorbiditäten wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depression oder Angststörungen sind häufig und bedeuten nicht nur eine Belastung für den Patienten, sondern auch für das Gesundheitssystem. Aufgrund der multifaktoriellen Genese der Adipositas gestaltet sich die Therapie jedoch oftmals schwierig. So kommt es bei vielen Patienten statt zu einer dauerhaften Gewichtsabnahme immer wieder zum gefürchteten Jo-Jo-Effekt, bei dem das Ausgangsgewicht wieder erreicht oder gar überschritten wird.
Um Frustration und eine Chronifizierung der Erkrankung zu vermeiden, sollte die Behandlung interdisziplinär erfolgen und individuell auf den Patienten eingehen, schreiben Dr. Sandra Becker und ihre Kollegen von der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Tübingen. Ein wichtiger Bestandteil sind psychotherapeutische Interventionen, die vorwiegend bei einem BMI zwischen 30 und 40 ohne somatische Begleit- und Folgeerkrankungen (z.B. Diabetes mellitus) indiziert sind.
Ziel der psychotherapeutischen Adipositasbehandlung ist eine moderate, aber dauerhafte Gewichtsreduktion um durchschnittlich 5–10 % innerhalb von 6–12 Monaten. Das Basisprogramm besteht aus einer Kombination von Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie. Durch weniger Fette und Kohlenhydrate wird ein tägliches Energiedefizit von 500 kcal/Tag oder mehr angestrebt. Damit die Umstellung der Ernährungs- und Essgewohnheiten auf energiereduzierte Mischkost in Form von drei Hauptmahlzeiten auch langfristig gelingt, sollten dabei die Vorlieben des Patienten hinsichtlich bestimmter Nahrungsmittel berücksichtigt werden.
So kann beispielsweise Schokolade durch Schokopudding ersetzt werden oder fettreicher Käse durch eine fettärmere Sorte. In Kombination mit einer Steigerung der körperlichen Aktivität (z.B. mehr zu Fuß gehen, Fahrrad fahren, Sport treiben) und einer Verhaltensmodifikation sollte eine Gewichtsreduktion um 0,5–1 kg pro Woche erreicht werden. Niederfrequente Nachsorgeprogramme können dem Patienten helfen, sein Gewicht auch nach der Therapie zu halten.
Quelle: Becker S et al. Info Neurologie & Psychiatrie 2018; 20: 30-34