GU-Tumoren Patient:innen brauchen einen Schutzschirm
Onkologische Supportivtherapie meint das Management von belastenden Symptomen des Tumors und seiner Behandlung über das gesamte Krankheitskontinuum hinweg, betonte Dr. Florian Scotté, Institut Gustave Roussy, Villejuif. Damit umfasse sie auch die palliative Therapie am Lebensende und Programme für Krebsüberlebende.
Menschen mit fortgeschrittenen urogenitalen Tumoren erhalten nur selten supportive Maßnahmen, wie eine retrospektive Kohortenstudie ergab. Darin flossen Daten von 76.016 Personen mit Blasen-, Nieren-, Penis- oder Prostatakarzinom im Stadium IV der US-amerikanischen National Cancer Database ein. Am schlechtesten versorgt waren Patient:innen mit fortgeschrittenem Blasenkrebs: nur 12,5 % erhielten symptomlindernde Behandlungen gegenüber 19,9 % der Erkrankten mit fortgeschrittenen Nierenzelltumoren.
Spezielle Herausforderungen
Besonderes Augenmerk legte Dr. Scotté auf supportivtherapeutische Herausforderungen bei Patienten mit metastasiertem Peniskarzinom. Sie können unter einer enormen Beeinträchtigung der Lebensqualität leiden, wie den Auswirkungen einer partiellen oder vollständigen Penisamputation mit Beeinträchtigung von Sexualfunktion und Miktion. Die meist mit Cisplatin behandelten Männer sind außerdem durch die Neuro- und Hämatotoxizität, hohe Emetogenität und renale Toxizität der Chemotherapie beeinträchtigt. Liegt eine Assoziation von Penistumoren mit HPV vor, so ziehe das Auswirkungen für die Partner:innen der Patienten nach sich, so Dr. Scotté.
Als einen möglichen Grund für die supportivmedizinischen Defizite im Zuge des Managements metastasierter GU-Tumoren nannte Dr. Scotté unter anderem Missverständnisse bezüglich der Bedeutung des Begriffs „palliative Therapie“. Diese diene generell der Symptomlinderung und meine nicht notwendigerweise die Versorgung am Lebensende, wenn keine antitumoral wirksamen Strategien zur Verfügung stünden. Dieses Missverständnis könne auf Seiten von Ärzt:innen und Patient:innen gleichermaßen beobachtet werden und dazu führen, dass supportive Maßnahmen nicht vorgeschlagen werden, ihnen mit Ablehnung begegnet wird und man diese mit therapeutischer Aussichtslosigkeit assoziiert. Besonders wichtig sei es, sie frühzeitig zu integrieren und nicht erst in den letzten Lebenswochen, so Dr. Scotté. Die Metapher “Palliative Care Is the Umbrella, Not the Rain” vermittle Patient:innen und Ärzt:innen diesen Sachverhalt besonders eindrücklich, sagte der Referent.
Die Vision der Zukunft
Die antitumorale Behandlung und die die Betroffenen und deren Lebensqualität optimal unterstützenden Maßnahmen müssten unbedingt kombiniert werden, betonte der Experte. Auch die ESMO fordert die Integration einer personalisierten und evidenzbasierten Supportiv- und Palliativtherapie von Krebserkrankten von der Diagnose bis zum Lebensende bzw. zur Heilung.
Ein wichtiger Baustein sei auch die regelmäßige Beurteilung von Symptomen und der Patient Reported Outcomes, was nicht nur die Lebensqualität, sondern auch das Gesamtüberleben verbessern könne, so Dr. Scotté. Der individuelle Mensch und seine Bedürfnisse müssten im Mittelpunkt der Versorgung stehen. Dies sei umso wichtiger, als sich onkologische Behandlungen – Stichwort zielgerichtete und Immuntherapien – und damit Nebenwirkungsprofile sowie die individuelle Prognose bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen veränderten. Vision der Zukunft sei eine Automatisierung des Symptommanagements, in deren Zuge schrittweise Apps eingebunden werden und die automatisierte Beurteilung des Schweregrades der Symptome gefolgt von einer medizinischen Intervention erfolgen könnten.
Quellen:
Scotté F. 38. Annual EAU Congress; Session: Challenges in supportive care in GU cancers