Blasenkrebs Tiefes neuronales Netzwerk zur Vorhersage der neoadjuvanten Komplettremission
„Wir nahmen uns einen unerfüllten klinischen Bedarf vor: Das Fehlen eines Biomarkers, der ein komplettes pathologisches Ansprechen auf eine neoadjuvante Chemotherapie beim muskelinvasiven Blasenkrebs vorhersagt.“ Mit diesen Worten fasste Prof. Dr. Bishoy Morris Faltas von der Weill Cornell Medicine in New York die Rationale seiner Arbeit zusammen. Die neoadjuvante Chemotherapie (NAC), gefolgt von radikaler Zystektomie, gehört zu den Standardbehandlungen. Doch nur rund 26–38 % erreichen eine pCR. „Ein verlässlicher prädiktiver Biomarker des Komplettansprechens auf NAC könnte es möglich machen, Patient:innen als Kandidat:innen für einen Erhalt der Blase auszumachen“, erklärte er.
Zur Entwicklung eines solchen Vorhersagewerkzeugs griff das Team auf die Daten der Phase-2-Studie S1314 zurück. Teilnehmende mit muskelinvasivem Blasenkrebs (MIBC) erhielten darin vier Zyklen Chemotherapie. „Wir entwarfen ein Deep Learning Modell, das sich aus drei Zweigen zusammensetzte –jeder davon ein neuronales Netz mit seiner eigenen Architektur, das aus einer anderen Eingangsquelle lernte,“ so Prof. Faltas (s. Kasten).
Ein interpretierbares Modell
Die Ausgangsdaten der drei Zweige wurden zusammengeführt, um eine pCR-Vorhersage für jede einzelne Person zu generieren. „Wir haben das Design so aufgebaut, dass wir später die Gewichtung der Zweige für die Vorhersage ablesen können. Das Modell ist außerdem interpretierbar. Das bedeutet, wir können verstehen, welche Parameter es in seine Entscheidungsfindung einbezieht und welche biologischen Grundsätze es aus welcher Datenquelle gelernt hat“, so der Referent.
Die drei Zweige des neuronalen Netzwerks
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Genexpressionszweig: generierte eine Vorhersage aus RNA-Expressionsdaten.
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Histopathologie: Eine als ResNet50 bekannte Architektur sollte lernen, die wichtigsten Eigenschaften kompletter Objektträger mit HE-gefärbten Gewebeschnitten zu identifizieren.
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Histopathologie: Ein vortrainiertes neuronales Netzwerk namens HoverNet ist in der Lage, bestimmte Zelltypen anhand ihrer Kernmorphologie zu unterscheiden. Die Zelltypen wurden kartographisch erfasst, in Regionen unterschiedlicher Wichtigkeit unterteilt und die Häufigkeit jedes Zelltyps ermittelt.
Als einflussreichster Zweig für die Gesamtvorhersage stellte sich derjenige heraus, der auf den RNA-Expressionsdaten basierte. Unter anderem bewerte das neuronale Netzwerk den Transkriptionsfaktor TP63 für die Vorhersage der Komplettremission als wichtig. „TP63 ist ein Master-Regulator des Differenzierungsprogramms von Basalzellen und bekanntermaßen von großer Bedeutung beim Blasenkrebs“, kommentierte der Referent. Eine Geneset-Enrichment-Analyse bestätigte, dass der Signalweg der Basalzelldifferenzierung mit einem kompletten Ansprechen assoziiert war.
Beim dritten Zweig nutzte das künstliche Lernmodell das Tumor-Stroma-Verhältnis zur Vorhersage: In Bereichen, denen es eine hohe Bedeutung zumaß, korrelierte ein hoher Stromaanteil mit dem Nicht-Erreichen der pCR. Diese Beispiele zeigten auf, dass das neuronale Modell autonom etwas über Tumorbiologie gelernt habe, so Prof. Faltas.
Als nächsten Schritt plant er, das Modell prospektiv zu validieren. Zudem arbeitet sein Team daran, künftig ctDNA-Analysen und genomische Daten mit einzubeziehen. „Wir hoffen, dass akkurate, auf Künstlicher Intelligenz beruhende integrative Biomarker in naher Zukunft Strategien zum Blasenerhalt möglich machen“, schloss der Referent.
Quelle:
Faltas BM. ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2024; Abstract 533