Interview Transition: Lücke zwischen Bedarf und Unterfinanzierung

Autor: Elke Klug

Zeil ist es, das Bewusstsein für die Bedeutung 
und Herausforderungen der Transition bei allen 
Beteiligten zu schärfen. Zeil ist es, das Bewusstsein für die Bedeutung und Herausforderungen der Transition bei allen Beteiligten zu schärfen. © Seventyfour – stock.adobe.com

Dr. Gundula Ernst und Prof. Lars Pape beschreiben Hürden und Herausforderungen, die mit dem Wechsel von der Pädiatrie in die Erwachsenenversorgung verbunden sind.

Der besondere Betreuungs- und Versorgungsbedarf von jungen Patientinnen und Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen (CKD) bzw. Dialysepflicht oder nach Transplantation als Teil der Gruppe von Menschen mit seltenen Erkrankungen ist aus medizinischer Sicht unbestritten. Von einer neudiagnostizierten CKD sind pro Jahr ca. 100 Kinder betroffen. Viele mit dem Übergang dieser jungen Leute aus der Pädiatrie in das Versorgungssystem Erwachsener verbundene Probleme, inklusive solcher im nicht-ärztlichen Bereich, sind seit langem in großen Teilen ungelöst, wie auf dem Berliner Dialyseseminar 2023 erneut konstatiert werden musste.

Und das, wie 2014 im Bericht der AG Transition der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DGKJ)1 festgestellt wurde, obwohl bereits 2009 vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen die Betreuung chronisch kranker Jugendlicher in der Übergangsphase als mangelhaft bewertet und Empfehlungen zur Verbesserung ausgegeben wurden, was 2011 auch von der Bundesärztekammer unterstützt wurde. Von Seiten des Gesetzgebers wie auch der Kostenträger, so das Fazit im Bericht 2014, vermissen Transitionsmediziner eine flächendeckende Lösung für diesen besonderen Betreuungsbedarf. „Es existieren zwar einzelne regionale fachspezifische Einzellösungen, jedoch fehlt eine fächerübergreifende Struktur, die den Prozess der Transition nicht nur begleitet und absichert, sondern auch die dafür notwendigen Maßnahmen vergütet.“ Daran hat sich in den vergangenen 10 Jahren nicht viel geändert. Auch das Engagement von Pädiatern und vielen anderen im Transitionsprozess involvierten Health Care Professionals hat bislang nicht dazu geführt, dass es für den Übergang dieser speziellen Patienten-Gruppe von der pädiatrischen in die Erwachsenenmedizin gesetzlich verankerte Verfahrens- und Vergütungsregeln gibt.

Um die Gesamtsituation der Transition zu verbessern, zur Förderung des fachlichen und interdisziplinären Austausches sowie zur Netzwerkbildung wurden 2012 die AG Transition der DGKJ und die Gesellschaft für Transitionsmedizin (GfTM) gegründet. Zur aktuellen Situation der Transitionsmedizin in Deutschland sprach Elke Klug mit Prof. Dr. Lars Pape und Dr. Gundula Ernst.

Frau Dr. Ernst, Herr Professor Pape, wie sieht aus Ihrer Sicht die Bilanz nach mehr als 10 Jahren Arbeit der AG Transition und der GfTM aus?

Dr. Gundula Ernst: Grundsätzlich ist die Bilanz positiv: Das Thema Transition ist deutlich stärker ins Bewusstsein gerückt, sowohl bei Health Care Professionals als auch bei den Familien selbst. Und ich habe den Eindruck, dass der Gesetzgeber und die Kostenträger sich zunehmend bewusst werden, wie wichtig es ist, die jungen Menschen mit chronischen Erkrankungen in das Erwachsenenleben und insbesondere in die Erwachsenenversorgung einzugliedern. Wir haben mittlerweile auch viele Transitions-Tools und wir wissen, wie ein guter Weg in die Erwachsenenversorgung aussehen kann. So gibt es beispielsweise das Berliner Transitionsprogramm (BTP)2 und Schulungen für junge Menschen und ihre Familien. Bei der Umsetzung ist allerdings noch viel Luft nach oben. Ich denke, wir brauchen mindestens noch einmal 10 Jahre, wenn nicht mehr, bis wir irgendwann einmal sagen können „alles super“. Es kommt jetzt darauf an, diese Konzepte in die Praxis zu bringen, sie dort zu verankern und die dafür notwendige stabile und angemessene Finanzierung einzufordern.

Prof. Dr. Lars Pape: Wir haben vor allem einen guten interprofessionellen Austausch zwischen verschiedenen Fachbereichen hinbekommen. Was jetzt schon gut funktioniert ist, dass Menschen, die sich in verschiedenen Gremien um Transition kümmern wollen, alle an einem Strang ziehen und in einer Art koordinierten Initiative für die Transition zusammenarbeiten. Das war nicht immer so. Dass wir die Sensibilität für das Thema gestärkt haben, zeigt sich beispielsweise in der deutschlandweiten TRANSNephro Studie3, an der fast alle kindernephrologischen Zentren teilnahmen. Insbesondere die Pädiater sind mit dem Thema sehr vertraut. Bei den Internisten ist es von persönlichem Engagement, lokalen Strukturen und davon abhängig, ob sie in einem Netzwerk integriert sind. Wir haben hier am UK Essen z. B. eine Kollegin, zu der wir die Patienten in die Erwachsenenmedizin transferieren. Wir machen eine gemeinsame Besprechung und der Übergang funktioniert gut, weil es eine feste Ansprechpartnerin gibt. Schwierig in der Nephrologie ist aber, dass viele Patienten aus der Pädiatrie wohnortnah in den niedergelassenen Bereich der Erwachsenenmedizin wechseln müssen und dann keinen spezialisierten Ansprechpartner mehr haben.

Insgesamt gesehen und gemessen an den Zielen, die wir mit der AG Transition und der GfTM bei deren Gründung formuliert haben, ist uns in beiden Bereichen weniger gelungen, als wir uns vorgestellt haben. Strukturell sind wir nicht wirklich erfolgreich. Es wurden zwar Transitionspfade festgelegt, es gibt strukturierte Epikrisen, lokale Aktivitäten. Das Kernziel jedoch, dass Transition eine Regelleistung werden muss, haben wir noch nicht erreicht.

Aktuell gibt es eine positive Entwicklung: Vor kurzem fand ein Treffen der AG Transition in Berlin statt, an dem die Leiterin des Referats für Kinder- und Jugendmedizin im Bundesgesundheitsministerium (BMG) Frau Dr. med. Theda Wessel teilgenommen hat. Sie hat Wege aufgezeigt, wie man die Transitionsprozesse und -leistungen ins SGB V integrieren könnte. Zwar hat sie noch keine konkreten Vorschläge unterbreitet, aber es sind wohl Änderungen im SGB V geplant, im Rahmen derer Regelungen zur Transition mit berücksichtigt werden könnten. Sie will sich noch in diesem Jahr dazu entsprechend in ihrem Haus informieren.

Da der Weg aber noch lang sein wird, müssen wir vor allem weiter überlegen, was man lokal machen kann, wie z. B. in Essen die Gründung einer fachübergreifenden Transitionsinitiative mit Unterstützung des Instituts für Patientenerleben. Wir haben uns mit interessierten Internisten zusammengetan und überlegt, wie man in einem ersten Schritt zwei Transitions-Fallmanager etablieren könnte, die fachübergreifend Ansprechpartner sind, die die Patienten begleiten, dass sie ihre Rezepte bekommen, die Termine koordinieren usw. Dafür haben wir ein sehr gutes Konzept entwickelt. Aktuell sind wir dabei, die Finanzierung zu klären.

Ziel ist, dass die Transition weniger vom persönlichen Engagement Einzelner abhängt, so wie es jetzt ist, sondern es sollen Strukturen geschaffen werden, die nachhaltig sind. Deswegen glaube ich, dass es an einer Universitätsklinik gut wäre, wenn man fachübergreifende Fallmanager hätte, die dann die Transition ganzheitlich begleiten können.

Es ist allerdings auch klar, dass nur begrenzt finanzielle Mittel im Gesundheitssystem zur Verfügung stehen, und wenn man zusätzlich Geld in die Transition investieren will, muss man dies anderswo reduzieren. Allerdings sind die finanziellen Vorteile einer guten Transition sehr evident, es können langfristig Gesundheitskosten gespart werden − in unserem Fall, wenn man z. B. einen Transplantatverlust verhindert, spart es enorme Kosten, wenn man bedenkt, wie teuer eine Dialysetherapie ist.

Woran liegt es, dass das Interesse so gering ist an Regelungen für die jungen chronisch kranken Menschen? Wo liegen die größten Hürden, die der Schaffung besserer Rahmenbedingungen durch die Gesundheitspolitik im Wege stehen?

Pape: Die geringe Anzahl von Patienten bringt es mit sich, dass die Patienten nach dem 18. Geburtstag kaum einen Nephrologen finden, der mit diesen im Kindesalter auftretenden, aber eher seltenen Erkrankungen (Fehlbildungen, genetisch bedingte Nierenerkrankungen) vertraut ist. Hinzu kommt, dass die jungen Menschen als Erwachsene einen multidisziplinären Ansatz benötigen, niedergelassene Kollegen das Thema Transition aber kaum interessiert. Sie haben vielleicht einen einzigen Patienten, aber weder die erforderlichen finanziellen noch personellen Ressourcen, und sie bekommen die Transitionsleistungen auch nicht vergütet.

Seit Gründung der GfTM bieten wir deshalb viele Vorträge im Rahmen von Veranstaltungen der GfTM-Mitglieds-Gesellschaften an. Zu diesen Transitionssymposien, u. a. bei DGfN-Kongressen, kommen die wenigen anwesenden Pädiater und ein Nephrologe aus der Erwachsenenmedizin, was aus den o.g. Gründen durchaus nachvollziehbar ist. Wir versuchen deshalb jetzt, auch auf den Kongressen der DGIM, ab und zu bei bestimmten fachspezifischen Gastro-, Kardio- oder Nephro-Symposien einen Transitionsvortrag zu integrieren, damit das Thema präsent bleibt.

Ernst: Einerseits geht es, wie gesagt, um relativ wenige Personen. Das andere sind die leeren Kassen. Eine Hürde ist auch, dass es sich um ein sehr heterogenes Feld handelt. Wir sprechen von ganz unterschiedlichen jungen Menschen mit höchst unterschiedlichen Bedarfen. Bei jungen Patienten z. B. mit Diabetes, die ihr Abi gemacht haben und jetzt an der MHH Medizin studieren, muss man sich keine großen Gedanken um die Transition machen. In einem gemeinsamen Gespräch wird überlegt, wer in der Erwachsenendiabetologie gut übernehmen könnte, und die notwendigen Informationen aus der Krankengeschichte werden weitergegeben. Die Patienten sind in der Regel gut geschult, sie kennen sich aus mit ihrer Erkrankung und gehen ihren Weg. Da ist die Transition relativ einfach umgesetzt. Aber wenn es um junge Menschen mit seit frühester Kindheit bestehenden komplexen Beeinträchtigungen geht, die in ihrer Autonomie eingeschränkt sind, braucht es viel mehr Unterstützung. Hier sind in der Regel viele verschiedene Fachdisziplinen an der medizinischen Weiterversorgung beteiligt. Zudem muss geregelt werden, wie und wo dieser junge Mensch einmal wohnen will, wie seine berufliche Situation aussehen kann, welche sozialrechtlichen Hilfen notwendig sind usw. Und irgendwo zwischen diesen Extrembeispielen bewegen wir uns. Es ist schwierig hier standardisierte Lösungen zu erarbeiten. Eine gute Lösung wäre aus meiner Sicht eine Basis-Transitionsversorgung, die aus vorbereitenden Gesprächen inklusive Schulung beim Pädiater, einer strukturierten Epikrise zum Übergang und 1 − 2 ausführlicheren Gesprächen beim übernehmen Arzt besteht. Bei jungen Menschen mit komplexeren Bedarfen müssten dann weitere Leistungen wie gemeinsame Fallbesprechungen, Casemanagement und Sozialberatung hinzukommen.

Eines der Probleme dabei ist die fehlende oder unangemessene Vergütung von Sprechstunden, die gemeinsam vom Pädiater und übernehmendem Arzt durchgeführt werden, weil in Deutschland ein Patient nicht von zwei Ärzten gleichzeitig wegen derselben Indikation behandelt werden darf. Wie kann das gelöst werden?

Ernst: Gemeinsame Sprechstunden sind z. T. schon jetzt finanziert, wenn die Jugendlichen im BTP eingeschrieben sind. Darin ist die Übergangssprechstunde eine Option, die beide Ärzte abrechnen können. Das BTP ist zwar in Berlin entstanden, aber nicht auf Berlin beschränkt. Es gibt bundesweite Transitionsstellen und diese haben Verträge mit einzelnen Kassen.

Wir machen solche Sprechstunden innerhalb einer MHH-Pauschale (ohne zusätzliche Vergütung) bei Patienten mit Fehlbildungen der Speiseröhre oder des Analkanals. Sowohl der Chirurg aus der Pädiatrie als auch die übernehmende Internistin hier im Haus sehen den jungen Menschen gemeinsam. Bei Bedarf komme ich als Psychologin dazu, wenn wir sehen, dass zusätzlicher Beratungs- oder Unterstützungsbedarf besteht. Das ist hier möglich, weil die Wege kurz sind. Aber wenn in Berlin der Arzt mehr als eine Stunde unterwegs ist, dann unterbleibt eine gemeinsame Sprechstunde häufig. Familien, die kompetent sind, können sich eher selbst für ihre Belange einsetzen. Aber viele Familien brauchen Unterstützung in der Transition, weil sie beispielsweise durch die Erkrankung und andere Probleme bereits am Limit sind, bildungsfern sind, Sprachbarrieren haben oder vielleicht insgesamt nicht so kompetent sind mit den Wegen im Gesundheitswesen. Es bedarf daher genereller, im Versorgungssystem verankerter Lösungen, die eine Transitionssprechstunde regelhaft einschließen und die Vergütung sichern.

Was würden Sie einem niedergelassenen Nephrologen raten, was zu tun ist, wenn ein Patient aus der pädiatrischen Betreuung mit dem Wunsch nach Weiterbehandlung in die Praxis kommt?

Pape: Er sollte sich an das Zentrum wenden, das den Patienten vorher betreut hat, sich Zeit nehmen für eine Videokonferenz, in der wir den Patienten einmal komplett besprechen, und wir gehen unseren Transferarztbrief durch. Das wäre schon mal ein guter Weg, den Patienten kennen zu lernen.

Aber schon gemeinsame Sprechstunden mit dem Pädiater und dem übernehmenden Arzt sind „good will“-Aktionen. Trotzdem stehen wir natürlich, auch ohne Vergütung, als Zentrum auch weiterhin für die Kollegen in medizinischen Belangen zur Verfügung. Das Kernproblem ist eher, dass die Patienten nicht selbstständig genug sind, sich nicht gut genug auskennen. Hierbei tragen wir Pädiater eine große Verantwortung. Es ist schwierig, Empowerment und Kompetenzvermittlung zu koordinieren. Wir haben zwar ein paar Sozialarbeiter und Kinderpsychologen, die einiges regeln können, aber es fehlt eine fächerübergreifende Organisationsstruktur.

Könnte es nicht ein erster Schritt sein, die verantwortlichen Entscheider zunächst zu überzeugen, dass der Übergang der Kinder ohne die harte Grenze 18. Lebensjahr, vielleicht bis zum 21. Lebensjahr flexibler gestaltet wird, insbesondere für die Patienten mit aufgrund ihrer Erkrankung bestehenden Entwicklungsdefiziten?

Ernst: Genau diese Empfehlung findet man auch in der neuen S3-Leitlinie zur Transition unter Verweis darauf, dass „Erwachsenwerden“ eben nicht sozialrechtlich mit dem 18. Geburtstag festgelegt werden kann, sondern dass das psychosoziale Erwachsenwerden, die Reife, die Transitionskompetenz (Transition Readiness) als Maßstab gelten muss.

Gerade die Kinder oder jungen Menschen, die viel hospitalisiert waren, bei denen viele Entwicklungen wegen ihrer Krankheit verzögert abgelaufen sind, haben häufig Reifungsdefizite. Leider ist in unserem Gesundheitswesen eine längere Betreuung nur in Ausnahmefällen und nicht pauschal möglich. Es ist häufig an aufwändige Beantragungen geknüpft, die auch nicht immer positiv ausgehen. Es scheint von vielen unklaren Faktoren abzuhängen, wann etwas bewilligt wird und wann nicht.

Gibt es bzgl. der Altersbegrenzung konkrete Bemühungen der GfTM? Wer sind die Ansprechpartner, in welchen Gremien sprechen Sie mit wem? Wer trifft welche Entscheidungen?

Ernst: Leider fehlen uns hier die Ansprechpartner. Das BMG ist nicht weisungsbefugt. Die Krankenkassen verweisen auf die kassenärztliche Selbstverwaltung und die Kassenärztlichen Vereinigungen vertreten vielerlei Interessen. Durch das föderalistische System in Deutschland wird es noch intransparenter und wir sind damit ziemlich ratlos. Es ist eine weitere große Hürde und Herausforderung, Transitionsregeln irgendwo klar festzuschreiben und dann justiziabel zu machen.

Welche Möglichkeiten/Tools stehen, ungeachtet fehlender einheitlicher Strukturen, zur Verfügung, um die jungen Leute zu unterstützen?

Pape: Es gibt in Deutschland verschiedene Projekte und Programme, aber wie schon gesagt, eher lokal und sehr indikationsbezogen. Das oben erwähnte BTP hat sich auch über die Jahre nicht so breit etabliert, wie es sich alle gewünscht haben.

Was in der Nephrologie sehr gut funktioniert und was wir allen Betroffenen anbieten, ist das „Endlich erwachsen-Programm“ vom KfH (Kuratorium für Dialyse und Transplantation e. V.). Die jungen Leute bekommen in einer Rehaeinrichtung der Rudolf-Pichlmayr-Stiftung für Kinder und Jugendliche vor und nach Organtransplantation am Ederhof in Österreich eine Schulung zu allen möglichen Themen, haben ein großes Angebot an Freizeitaktivitäten und können Selbstsicherheit gewinnen. Finanziert wird es durch das KfH. Ein Problem ist, dass wir mit dem Angebot die meisten, die es eigentlich brauchen, nicht erreichen, sondern vor allem die Familien, die sowieso schon wissen, dass sie etwas tun müssen. Des Weiteren gibt es von der GfTM Transitions-Materialien und -Hilfen mit Schulungselementen, wir haben strukturierte Epikrisenformulare und ins Deutsche übersetzte Transition Readiness-Fragebögen. Damit finden wir heraus, wo die Probleme sind und wie wir sie angehen können. Oft fehlen aber auch hier die Ressourcen für Hilfen, die über das Gespräch zur Transition Readiness Scale hinausgehen.

Außerdem können sich Betroffene an das Kompetenznetz Patientenschulung e. V. wenden (KomPaS). Dort gibt es ebenfalls Transitionsschulungen. Allerdings ist es auch hier leider sehr schwierig, die Teilnehmer für diese Schulungen zu motivieren.

Ernst: Zu erwähnen wäre noch TRANSLATE NAMSE, ein großes Innovationsfondprojekt, bei dem es um seltene Erkrankungen ging. Ein Baustein darin ist die Transition. Das Projekt und die Evaluation sind abgeschlossen, der G-BA hat ein positives Votum abgegeben. Die Zentren für seltene Erkrankungen sind gerade in der Verhandlung mit einzelnen Krankenkassen, dass dieser Versorgungspfad, der erfolgreich erprobt wurde, jetzt in die Regelversorgung übergeht und auch von Krankenkassen finanziert wird, damit es nach Projektende weiter fortgesetzt wird. Es wird aber vermutlich darauf hinauslaufen, dass es zu Selektivverträgen kommt, bei denen mit jeder Kasse in jedem Bundesland gegebenenfalls einzeln über diese Leistungen verhandelt werden muss.

Das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit seltenen Erkrankungen (NAMSE) ist ein Koordinierungs- und Kommunikationsgremium mit dem Ziel eine bessere Patientenversorgung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen auf den Weg zu bringen. Dazu bündelt es bestehende Initiativen, vernetzt Forscher und Ärzte und führt Informationen für Ärzte und Patienten zusammen.

Das heißt, eine pauschale Regelvergütung ist nicht zu erwarten?

Ernst: Eine Transitionspauschale als Regelleistung wäre unsere Idealvorstellung. Diese müsste für alle jungen Menschen mit chronischen Beeinträchtigungen abrechenbar sein, die einen besonderen Bedarf in der Phase der Transition haben. Aber solange diese nicht existiert, wird es über Selektivverträge, Einzelfallentscheidungen und andere Finanzierungswege laufen. Es ist für uns aber schon einmal ein Riesenschritt, dass das Problem bewusster wahrgenommen wird und jemand wie Frau Dr. Wessel im BMG sagt, „Ich schau mir das mal an“. Aber bis zu einer Gesetzesänderung muss noch ein sehr dickes Brett gebohrt werden.

Gibt es speziell für Kinder mit Dialysepflicht konkrete Vorhaben, den Transitionsprozess zu optimieren?

Ernst: Bei dieser Zielgruppe ist es besonders wichtig, dass sie während des Jugendalters sehr gut betreut wird. Nicht nur fixiert auf den Wechsel des Versorgungssystems. Es geht vielmehr darum, diese sehr herausfordernde Phase des Jugendalters, in der die Heranwachsenden so sein wollen wie alle anderen auch, Zukunftspläne schmieden und vielleicht mal über die Stränge schlagen, professionell zu begleiten. In der Transplantationsmedizin haben wir in diesem Lebensalter leider die größte Rate an Abstoßungsreaktionen und Transplantatverlusten. Zudem muss man berücksichtigen, dass die jungen Menschen in einer Phase der Selbstfindung sind, privat, beruflich, in der Gesellschaft. Wenn sie dann feststellen, dass alles durch ihre gesundheitliche Situation stark eingeschränkt ist, dann macht das natürlich etwas mit ihrem Selbstbewusstsein und ihrem Selbstbild, ihrer psychischen Situation. Viele chronisch kranke junge Menschen leiden an Ängsten oder Depressionen. Ich glaube, da müssen wir den Transitionsprozess auch größer sehen. Das heißt, die jungen Menschen gut zu begleiten in dieser Phase, dass sie ein stabiles Selbstbild aufbauen und ihren Weg finden können.

Pape: Mit dem positiv evaluierten Innovationsfondprojekt TRANSLATE NAMSE und der theoretischen Aussicht, dass es in die Regelversorgung implementiert wird, hatten alle gehofft, dass es dann auch für die CKD-Patienten einfachere Strukturen gibt. Auch das ist bis jetzt nicht realisiert.

Wie und durch wen könnte der Zugang für alle Betroffenen zu Workshops/Schulungen vor dem Übergang in die Erwachsenenmedizin am besten organisiert werden?

Ernst: Der Kontakt muss über die betreuenden Zentren erfolgen, in der nephrologischen Ambulanz oder beim niedergelassenen Nephrologen. Dort sollte wiederholt auf die Angebote hingewiesen werden und bei Interesse gleich ein direkter Kontakt zu den Anbietern hergestellt werden. In der Nephrologie haben wir da das von Prof. Pape erwähnte Programm „Endlich erwachsen“ vom KfH. Es ist ein tolles Transitionsprogramm, das strukturiert über ein Jahr läuft und standardmäßig zur Verfügung steht, mit dem einwöchigem Auftaktseminar in Österreich, über das Jahr verteilten Events und Wochenendveranstaltungen, bei denen eine Gruppendynamik entsteht und Kontakte geknüpft werden können zu anderen Betroffenen. Es wird eben leider nur wenig in Anspruch genommen.

Was sind Ihre nächsten Vorhaben?

Ernst: Einer der Gründe, warum leider nur sehr wenige junge Leute Transitionsprogramme nutzen, ist deren geringe Bekanntheit. Wir müssen daher bestehende Strukturen mehr öffentlich machen. Zudem werden wir die generische S3-Leitlinie erweitern. Bislang ist sie auf junge Menschen ausgerichtet, die eine chronische Erkrankung haben, aber grundsätzlich für sich selbst sorgen können. Aktuell formulieren wir Empfehlungen für junge Menschen mit komplexen, z. B. neurologischen Beeinträchtigungen, die dauerhaft auf Hilfe angewiesen sind, und Menschen in palliativen Situationen. Das ist ein nächster Schritt, an dem eine Arbeitsgruppe gerade aktiv arbeitet.

Pape: Neben vielen weiteren Projekten bleibt das große Ziel und unsere Aufgabe, allen Verantwortlichen bewusst zu machen, was frühzeitig angebahnt und vor allem finanziert werden muss, ehe ein junger Mensch mit einer chronischen Erkrankung 18 Jahre alt wird, um den Start ins Erwachsenenleben zu erleichtern. Wir bleiben dran und sind gespannt auf die Vorschläge aus dem BMG.

Dr. Gundula Ernst und Prof. Lars Pape, wir danken Ihnen für das Gespräch.

1 Die AG Transition ist ein interdisziplinär zusammengesetztes Gremium aus DGKJ (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V.), DGIM (Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V.), DGN (Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.) und weiteren Vertretern aus der Kinder- und Jugendmedizin (Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ) und die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie Kinder und Jugendmedizin e.V. (DGSPJ)). Immer einbezogen sind die Gesellschaft für Transitionsmedizin e.V. (GfTM) und das Berliner Transitionsprogramm (BTP)

2 Sektorenübergreifendes Strukturprogramm zur Transition in die Erwachsenenmedizin. Es handelt sich um eine Matrix für eine Versorgungsstruktur, die für unterschiedliche Patientengruppen eine geregelte und von den Kostenträgern finanzierte Transition von der Kinder- und Jugendmedizin in die Erwachsenenmedizin ermöglicht. https://www.btp-ev.de/

3 Transition von Adoleszenten nach Nierentransplantation in die Erwachsenenbetreuung – Analyse der Versorgungssituation und prospektive, multizentrische Untersuchung eines neuen Transitionsmodells unter Einsatz von Fallmanagement und zeitgemäßer Telemedizin über Smartphones. TRANSNephro ist eine klinische, medizinische Studie, an der 17 weitere kindernephrologische Zentren teilnehmen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich erschienen in: Nierenarzt/Nierenärztin 5/2024