Fortgeschrittene Melanome Tumorinfiltrierende Lymphozyten als neue Option?

Autor: Lara Sommer

Tumorinfiltrierende Lymphozyten stellen eine vielversprechende Option für Melanom Patient:innen dar. Tumorinfiltrierende Lymphozyten stellen eine vielversprechende Option für Melanom Patient:innen dar. © Jonas Glaubitz – stock.adobe.com

Eine adoptive Zelltherapie mit TIL hilft bis zu einem Drittel stark vorbehandelter Melanompatient:innen. Auf dem Kongress gab es nun Langzeitdaten zur Sicherheit und Effizienz. Außerdem präsentierten Forschende, wie sie dieses Verfahren mit onkolytischen Viren kombinieren. 

Tumorinfiltrierende Lymphozyten (TIL) stellen einen Hoffnungsträger für Patient:innen dar, deren Melanom nicht mehr auf Checkpoint-Inhibitoren anspricht. Forschende um Prof. Dr. ­Martin ­Wermke von der Technischen Universität Dresden präsentierten nun Vier-Jahres-Ergebnisse für 153 Teilnehmende aus der ­C-144-01-Studie.1 

Weniger Leber- und Hirnmetastasen

Alle von ihnen litten an CPI-resis­tenten oder -refraktären, fortgeschrittenen Melanomen und hatten eine Einmaldosis eines autologen TIL-Präparats (Lifileucel) erhalten. Die Tumoren der meisten Erkrankten schrumpften und die objektive Ansprechrate betrug 31,4 %. Diejenigen, die ansprachen, hatten seltener: 

  • Leber- und Hirnmetastasen
  • mehr als drei Herde
  • erhöhte LDH-Werte

Zudem fiel der Durchmesser der Zielläsionen geringer aus. „Das sagt uns, dass Responder:innen eine geringere Krankheitslast als Non-Responder:innen aufweisen“, schlussfolgerte der Experte.

Nach median 48,1 Monaten Beobachtung war die mDOR noch nicht erreicht. Die längste dokumentierte Ansprechdauer lag bei 55,8 Monaten. Obwohl die meisten Teilnehmenden innerhalb der ersten beiden Monate ansprachen, gingen vier Betroffene mehr als ein Jahr später aus einer Partial Response in eine CR über. Das mediane OS betrug 13,9 Monate, nach vier Jahren lebten noch 21,9 %. 

Allgemein stimmten die Nebenwirkungen mit denen überein, die die Wissenschaftler:innen von einer nicht-myeloablativen Lymphodepletion und IL-2-Gabe erwarten. „Wir sehen viele unerwünschte Ereignisse, aber sie treten alle in den ersten zwei oder drei Wochen auf“, fasste Prof. ­Wermke zusammen. Sie hätten keine neuen, späten Sicherheitssignale für Lifileucel in dieser stark vorbehandelten Population registriert.

TIL als Partner für Viren

Die TIL-Therapie mit einem onkolytischen Adenovirus kombinieren und dabei auf die Lymphodepletion verzichten – diesen Ansatz verfolgten Dr. Tine J. Monberg, National Center for Cancer Immune Therapy, Herlev, Dänemark, und Kolleg:innen.1 Sie wollen dadurch die Effizienz erhöhen und eine toxische Konditionierung überflüssig machen. Aus ihrer Phase-1-Studie liegen Daten für 16 mit CPI vorbehandelte Patient:innen mit nicht-resektablen Melanomen vor (Stadium III/IV; 7 kutan, 5 mukosal, 4 uveal). 

Die Teilnehmenden erhielten über einen Zeitraum von 64 Tagen sechs Dosen TILT-123. Dabei handelt es sich um ein Virus, das ausschließlich in Zellen mit defektem Rb-Signalweg replizieren kann. Es zerstört diese einerseits direkt und stimuliert andererseits eine Immunantwort gegen das Malignom. Die erste Dosis verabreichten die Mediziner:innen intravenös, alle weiteren Injektionen erfolgten direkt in einen Tumorherd. Zusätzlich erhielten die Erkrankten eine oder zwei TIL-Infusionen. „Wenn Patient:innen profitierten, konnten sie dreiwöchentliche Virusinjektionen für bis zu zwei Jahre fortsetzen“, ergänzte die Onkologin. 

Die TIL führten am häufigsten zu Fieber (56 %), Schüttelfrost (38 %) und Erschöpfung (25 %). Die Virustherapie verursachte wiederum Fieber (63 %), Schmerzen an der Einstichstelle (44 %) sowie Fatigue (38 %). Es traten acht behandlungsassoziierte Ereignisse vom Grad ≥ 3 auf, die insgesamt vier Personen betrafen. „Wichtig ist, dass keine dieser Nebenwirkungen als dosislimitierend eingeschätzt wurde“, betonte die Expertin. 
Gemäß RECIST 1.1 erreichte die Kombination eine Krankheitskontrollrate von 38 %. Eine Patientin mit mukosalem Tumor entwickelte eine CR, die weiter anhält. Zwei Teilnehmende, darunter eine Person mit uvealem Melanom, hatten mehr als zehn Monate lang eine stabile Erkrankung. 

Während die Verantwortlichen darauf verweisen, dass ihr Verfahren Erfolge bei schwer behandelbaren Subtypen erzielte, äußerte Diskutant Prof. Dr. Dr. ­George ­Coukos, Lausanne University Hospital, zwei Hauptkritikpunkte.2 Wiederholte intratumorale Injektionen seien mühselig: „Vielleicht gibt es ja die Aussicht, auf einen intravenösen Ansatz zu wechseln.“ Zudem bleibe die klinische Aktivität hinter der einer konventionellen TIL-Therapie zurück.

Quelle:
1. Monberg TJ et al. ESMO Immuno-Oncology Congress 2023; Abstract 48O und Vortrag
2. Coukos G. ESMO Immuno-Oncology Congress 2023; Invited Discussant 48O and 49O

Argument für früheren Einsatz

Die Ergebnisse bestätigten gemäß dem Referenten eine einmalige Lifileucel-Injektion als Option für fortgeschrittene Melanome. Sie führe zu einem günstigen Langzeitüberleben, Fällen anhaltenden Ansprechens und gehe nicht mit neuen Sicherheitsbedenken einher. Der Onkologe merkte an: „Patient:innen, die ansprechen, scheinen eine geringere Tumorlast zu haben, was ein Argument dafür wäre, diese Therapie in frühere Linien zu verschieben oder mit einem Debulking zu kombinieren.“

Prof. Dr. ­Anna Maria di ­Giacomo, Universitätsklinikum Siena, stimmte zu, dass sich die adoptive Zelltherapie mit TIL als effektive Strategie gegen Melanome erwiesen habe.2 Die Diskutantin mahnte: „Ich denke, dass ein spezialisiertes, multidisziplinäres medizinisches Team die TIL-Therapie durchführen sollte, um die richtigen Ziele zu erreichen und Toxizitäten zu vermeiden.“ Der Herstellungsprozess benötige nur noch drei Wochen, was die praktischen Einsatzmöglichkeiten ebenfalls verbessere. Als offene Fragen sieht sie unter anderem, welche Erkrankten am meisten profitieren und wo man TIL in der Behandlungskaskade ansiedeln sollte.

Quellen:
1. Wermke M et al. ESMO Immuno-Oncology Congress 2023; Abstract 119O und Vortrag
2. Di Giacomo AM. ESMO Immuno-Oncology Congress 2023; Invited Discussant 119O