Chronische Lungenerkrankungen und pulmonale Hypertonie Übel im Doppelpack

Autor: Dr. Nils Bröckelmann

Eine pulmonale Hypertonie belastet Patienten mit einer chronischen Lungenerkrankung zusätzlich. Eine pulmonale Hypertonie belastet Patienten mit einer chronischen Lungenerkrankung zusätzlich. © Paul – stock.adobe.com

Bei nahezu allen chronischen Lungenerkrankungen kann mit der Zeit eine pulmonale Hypertonie hinzukommen. Sie schränkt Belastbarkeit und Lebensqualität der Betroffenen zusätzlich ein. Basis der Therapie ist die Behandlung der zugrunde liegenden respiratorischen Erkrankung. 

Bei einigen Patienten mit chronischer Lungenerkrankung kommt es im Verlauf zu einer sekundären pulmonalen Hypertonie. Infolge des erhöhten Gefäß­widerstands kann das sogenannte Cor pulmonale entstehen und bis zum Rechtsherzversagen fortschreiten. Eine durch alveoläre Hypoxie und/oder Rauchen getriggerte Vaskulopathie scheint eine wichtige Rolle in der Pathogenese zu spielen, erläutern PD Dr. Ayham­ Daher­ vom Universitätsklinikum Aachen­ und PD Dr. Hans Klose­ vom Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf. Bei den meisten Patienten mit chronischer Lungenerkrankung plus pulmonaler Hypertonie bleibt es allerdings bei einer eher geringen bis lediglich moderaten Steigerung des pulmonalarteriellen Mitteldrucks.

Die Prävalenz variiert mit der Art der Lungenerkrankung

Die pulmonale Hypertonie tritt am häufigsten bei Patienten mit COPD auf, allerdings haben nur 1–5 % von ihnen einen schweren Lungenhochdruck (definiert als pulmonaler Gefäßwiderstand > 5 WE*). Bei der idiopathischen pulmonalen Fibrose beträgt die Prävalenz der pulmonalen Hypertonie bei Erstdiagnose etwa 8 bis 15 %. Patienten mit kombinierter Lungenfibrose plus Emphysem sind besonders gefährdet. In dieser Gruppe liegt die Prävalenz bei bis zu 50 %.

Kommt zu einer chronischen Lungenerkrankung eine pulmonale Hypertonie hinzu, beeinträch­tigt dies die Belastbarkeit und damit einhergehend die Lebensqualität der betroffenen Patienten deutlich. Die Schwere der Erkrankung gilt als ein Prädiktor für das Ausmaß der drohenden pulmonalen Hyper­tonie.

Die Diagnose nur anhand der Symptomatik zu stellen, ist schwierig. Die Beschwerden der Lungen­erkrankung unterscheiden sich oft nur wenig von der zusätzlich durch den pulmonalen Hochdruck bedingten Verschlechterung. Für Letzteren sprechen aber:

  • Schwindel

  • Belastungssynkopen

  • klinische Zeichen einer Rechtsherzinsuffizienz

Hinweisend sind auch erhöhte Werte für die natriuretischen Peptide und eine vergrößerte Pulmonalarterie in der Bildgebung. Für das Vorliegen einer Hypertonie spricht zudem, wenn Belastbarkeit und Diffusionskapazität des Patienten stärker beeinträchtigt sind, als es anhand der Lungenfunktionseinschränkung zu vermuten wäre. Zur weiteren Klärung erfolgt in der Regel eine trans­thorakale Echokardio­grafie

In einigen Fällen tritt unabhängig von der respiratorischen Grund­erkrankung eine pulmonal ­arterielle Hypertonie (PAH) auf. Diese ist von einem sekundä­ren pulmonalen Hochdruck auf dem Boden einer Lungenerkrankung oder infolge einer Hypoxie zwingend abzugrenzen. Von einer mit der respiratorischen Erkrankung assoziierten pulmonalen Hypertonie kann man ausgehen, wenn

  • eine leichte oder moderate Erhöhung des pulmonalen Gefäßdrucks vorliegt, 

  • sich ausgeprägte Lungengerüst- oder Atemwegsveränderungen im CT darstellen,

  • die Funktionstestung der Lunge deutliche und typische Auffälligkeiten zeigt.

In einem kardiopulmonalen Belastungstest findet man mitunter einen CO2-Anstieg. Mit der pulmonal­arteriellen Hypertonie assoziierte Risikofaktoren wie Bindegewebs­erkrankungen oder eine HIV-Infektion fehlen in der Regel. 

Eine Rechtsherzkatheteruntersuchung bleibt Patienten mit Verdacht auf schweren Lungenhochdruck vorbehalten. Das ist etwa bei zunehmender Symptomatik und Auffälligkeiten im Gasaustausch, die über den durch die Lungenfunktionseinschränkung verursachten Effekt hinausgehen, der Fall. Aus der Diagnostik sollte zudem eine therapeutische Konsequenz erwartbar sein.

Bei schwerer Erkrankung auch an Transplantation denken 

Bei Patienten mit pulmonaler Hypertonie zusätzlich zur Lungen­erkrankung gilt es, die Grundkrankheit in den Griff zu bekommen. Bei einer Volumenüberladung dienen Diuretika der Symptomlinderung, indem sie über die Vorlast die rechtsventrikuläre Funktion und mittelbar auch den linksventrikulären Auswurf erhöhen. Bei schwerer Erkrankung (pulmonaler Gefäßwiderstand > 5 WE*) sollte man an die rechtzeitige Anmeldung zur Transplantation denken.

Der Nutzen von systemischen Vasodilatatoren der Lungenstrombahn bei Patienten mit pulmonaler Hypertonie aufgrund einer respiratorischen Erkrankung ist umstritten. Kritiker befürchten eine Zunahme des Ventilations-Perfusions-Mismatches, da nicht belüftete Bereiche stärker durchblutet werden und die hypoxische Vasokonstriktion aufgehoben wird. Dennoch können Phosphodiesterase-5-Hemmer wie Sildenafil bei schwerer Erkrankung als individueller Versuch an spezialisierten Zentren erwogen werden. 

* Wood-Einheiten

Quelle: Daher A, Klose H. Dtsch Med Wochenschr 2023; 148: 1507-1513; DOI: 10.1055/a-2012-0856