Pulmonale Hypertonie Therapeutisches Vakuum
Verschlechtern sich bei einem Lungenkranken die Symptome, obwohl die Lungenfunktion keine oder kaum eine Änderung anzeigt, könnte eine pulmonale Hypertonie dahinterstecken. Die „pulmonale Hypertonie assoziiert mit Lungenerkrankungen und/oder Hypoxie“ ist eine eigenständige Diagnose, die sich auch unabhängig von der Grunderkrankung entwickeln und voranschreiten kann. Unterschiede zu anderen Formen des Lungenhochdrucks wie der pulmonalarteriellen Hypertonie (PAH) bestehen nicht nur pathologisch, sondern auch im Management der Betroffenen. Welche das im Detail sind, haben Wissenschaftler um Prof. Dr. Karen Olsson von der Klinik für Pneumologie und Infektiologie der Medizinischen Hochschule Hannover in einer Übersichtsarbeit beschrieben.
Gefäßumbau beeinträchtigt den Gasaustausch
Demnach kann sowohl die zunehmende Lungenfibrose bei einer ILD als auch der fortschreitende Verlust des Lungenparenchyms bei COPD eine Störung des pulmonalen Gefäßbetts hervorrufen. Zu den möglichen Folgen zählen der Verlust von Mikrogefäßen und die Proliferation von Endothel- und Muskelzellen in den Gefäßwänden. Zusammen mit der zugrundeliegenden Lungenerkrankung beeinträchtigen diese Umbauprozesse den Gasaustausch und die Aufnahme von Sauerstoff. Dadurch erhöht sich unter anderem das Risiko für eine Rechtsherzinsuffizienz.
Der Verdacht auf eine pulmonale Hypertonie bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen besteht insbesondere dann, wenn die Symptome sich verschlechtern und dies nicht anderweitig zu erklären ist. Eine Abklärung empfiehlt sich aber auch, wenn eine Lungenvolumenreduktion oder -transplantation ansteht, sowie bei Patienten mit erhöhtem Risiko für eine PAH oder eine chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH). Zu den Risikofaktoren für eine pulmonalarterielle Hypertonie zählen unter anderem systemische Sklerose und andere Kollagenosen, portale Hypertonie sowie eine HIV-Infektion. Ein Risikofaktor für die CTEPH ist beispielsweise eine vorangegangene venöse Thromboembolie.
Erste diagnostische Schritte umfassen nicht-invasive Untersuchungen einschließlich Biomarker-Tests (z.B. NT-proBNP) und bildgebender Verfahren wie Thorax-CT und Echokardiografie. Erhärtet sich dabei der Verdacht auf eine pulmonale Hypertonie, kommt zur weiteren Abklärung eine Rechtsherzkatheteruntersuchung in einem spezialisierten Zentrum infrage. Diese ist allerdings nur dann empfehlenswert, wenn sich daraus therapeutische Konsequenzen ergeben bzw. in Vorbereitung auf eine Volumenreduktion oder Transplantation. Je nach Befund erfolgt die Unterscheidung zwischen:
- nicht-schwerer pulmonaler Hypertonie (mPAP* > 20 mmHg und PVR** ≤ 5 Wood-Einheiten) und
- schwerer pulmonaler Hypertonie (mPAP > 20 mmHg und PVR > 5 Wood-Einheiten).
Die Therapie von Lungenpatienten mit pulmonaler Hypertonie stützt sich vor allem auf die optimale Versorgung der Grunderkrankung und vorhandener Komorbiditäten wie obstruktive Schlafapnoe. Daneben sind ggf. supportive Maßnahmen einschließlich nicht-invasiver Beatmung erforderlich. Die Gabe von zusätzlichem Sauerstoff ist im Fall einer Hypoxämie in Ruhe angezeigt. Eine pulmonale Rehabilitation hat sich bei Patienten mit Lungenerkrankungen allgemein, insbesondere aber auch bei solchen mit pulmonaler Hypertonie als hilfreich erwiesen.
Längerfristig nützliche Medikamente fehlen
Zur Behandlung der pulmonalen Hypertonie assoziiert mit Lungenerkrankungen kommen in der Praxis trotz fehlender Evidenz vor allem vasoaktive Medikamente zum Einsatz, die eigentlich für die PAH zugelassen sind. Die Autoren empfehlen, diese erst ab 3 Wood-Einheiten in Betracht zu ziehen. Derzeit gibt es für die meisten Patienten, bei denen die Grunderkrankung bereits im fortgeschrittenen Stadium ist, kein Medikament, das einen nachgewiesenen dauerhaften Nutzen hinsichtlich der physischen Belastbarkeit, der Lebensqualität oder des Überlebens bringt.
Lediglich bei pulmonaler Hypertonie, die mit einer interstitiellen Lungenerkrankung assoziiert ist, scheint sich inhalatives Treprostinil (in Deutschland noch off label) positiv auf die körperliche Leistungsfähigkeit auszuwirken. Obwohl keine systematischen Untersuchungen hierzu vorliegen, könnten darüber hinaus Kranke mit schwerer Ausprägung des Lungenhochdrucks von einer Behandlung mit PDE-5-Hemmern (off label) profitieren. Die geringe Zahl von Studien, die einen Nutzen pulmonaler vasoaktiver Therapien zeigen, unterstreicht die Notwendigkeit, die Forschung in diese Richtung inklusive Phänotypisierung der Patienten voranzutreiben, so die Autoren der Übersichtsarbeit.
* mean pulmonary arterial pressure
** pulmonary vascular resistance
Quelle: Olsson KM et al. Lancet Respir Med 2023; DOI: 10.1016/S2213-2600(23)00259-X