Mit dem Zweiten sieht man doppelt Ursachen für Diplopien reichen von harmlos bis lebensbedrohlich

Autor: Dr. Andrea Wülker

Eine Diplopie bei Patienten mit Riesenzellarteriitis kann mit einer akuten Visusverschlechterung, Schläfenschmerzen und Abgeschlagenheit einhergehen. Eine Diplopie bei Patienten mit Riesenzellarteriitis kann mit einer akuten Visusverschlechterung, Schläfenschmerzen und Abgeschlagenheit einhergehen. © travel nature – stock.adobe.com

Doppelbilder zu sehen, kann für Betroffene sehr irritierend und beunruhigend sein. Wann ist eine umgehende Abklärung erforderlich, wann reicht eine Routineüberweisung zum Augenarzt?

Wenn ein Patient Doppelbilder wahrnimmt, kann die Unterscheidung zwischen einer monokularen bzw. binokularen Diplopie dabei helfen, die Dringlichkeit der weiteren Behandlung festzustellen, schreiben Dr. Twishaa Sheth vom Colchester Hospital und Kollegen. Monokulare Diplopie bedeutet, dass die Doppelbilder nur aus einem Auge stammen. Die Doppelbilder bleiben weiter bestehen, wenn der Patient das nicht betroffene Auge schließt. Das weist auf einen intraokulären pathologischen Prozess hin, erklären die britischen Kollegen. Bei monokularer Diplopie kommen folgende Differenzialdiagnosen infrage:

  • Refraktionsfehler 
  • Sicca-Syndrom 
  • pathologische Veränderung der Hornhaut
  • Katarakt
  • eine nicht dringliche Veränderung der Netzhaut

In solchen Fällen ist eine Routine-überweisung an den Augenarzt zur weiteren Abklärung angemessen.
Fehlausrichtung der beiden Augen dringend abklären
Bei der binokularen Diplopie sieht der Patient nur dann Doppelbilder, wenn beide Augen geöffnet sind. Diese Situation ist deutlich ernster. Hinter dem Symptom steckt eine Fehlausrichtung der beiden Augen, ausgelöst durch eine pathologische Veränderung der Augenmuskeln oder durch eine zentrale neurologische Ursache. Patienten mit akuter binokularer Diplopie benötigen daher dringend eine Untersuchung vom Augenarzt und eine angemessene diagnostische Abklärung.

Bestimmte Merkmale einer Diplopie müssen als Warnzeichen verstanden werden. So signalisiert eine akute Diplopie, die sich innerhalb von Stunden bis Tagen entwickelt, typischerweise eine pathologische Veränderung, die eine rasche Untersuchung erfordert. Besteht die Diplopie dagegen schon lange, deutet das eher auf ein dekompensiertes latentes Schielen hin; in diesem Fall reicht eine Standardüberweisung an den Augenarzt. Intermittierendes Doppeltsehen kann auf Krankheitsbilder hinweisen, die durch Ermüdung exazerbieren. Es wird häufig bei Myasthenia gravis, Multipler Sklerose oder bei einem dekompensierenden latenten Strabismus beobachtet.

Vorsicht, Hirnnervenlähmung!

  • Im Akutsetting sind bei einem Patienten mit binokularer Diplopie und eingeschränkten Augenbewegungen die wichtigsten gravierenden Differenzialdiagnosen eine Lähmung des dritten, vierten oder sechsten Hirnnervs.
  • Patienten, die sich mit Symptomen einer Hirnnervenlähmung vorstellen, sollten noch am selben Tag an eine Augenambulanz oder Notaufnahme überwiesen werden, um einen akuten pathologischen Prozess ausschließen zu lassen.
  • Hirnnervenlähmungen können vaskulär, infektiös, inflammatorisch, neoplastisch oder traumatisch bedingt sein.

Die Anordnung der Doppelbilder gibt einen Hinweis auf die mögliche Ursache. Eine horizontale Diplopie kann auf eine Lähmung des sechsten Hirnnervs hinweisen, der den M. rectus lateralis versorgt. Eine Lähmung dieses Muskels führt dazu, dass das Auge nicht nach lateral gerichtet werden kann. Liegt eine vertikale oder Torsionsdiplopie vor, kann dies auf eine Lähmung des vierten Hirnnervs hindeuten, der den M. obliquus superior innerviert. Betroffenen fällt der Blick nach unten schwer, so dass sie Schwierigkeiten beim Lesen oder beim Treppenabstieg haben.

Bei starkem Kopfschmerz nach Subarachnoidalblutung suchen

Hinter Rötungen und Schmerzen steckt mitunter ein pathologischer Prozess der Orbita (Infektion, Entzündung, Neoplasie, Schilddrüsenerkrankung). Patienten, die sich mit Doppelbildern und schweren, plötzlich aufgetretenen Kopfschmerzen vorstellen, sollten notfallmäßig auf eine mögliche Subarachnoidalblutung und eine damit zusammenhängende Lähmung des dritten Hirnnervs hin untersucht werden. Cephalgien können auch sekundär als Folge der Anstrengung durch die Doppelbilder auftreten. Dennoch ist es ratsam, Patienten mit Diplopie und Kopfschmerzen zur weiteren Abklärung zu überweisen. Ebenso sollte das Vorliegen weiterer neurologischer Zeichen an die Möglichkeit eines Schlaganfalls oder einer Riesenzellarteriitis denken lassen. Eine Diplopie bei Patienten mit Riesenzellarteriitis kann mit einer akuten Visusverschlechterung, Schläfenschmerzen und Abgeschlagenheit einhergehen.

Quelle: Sheth T et al. BMJ 2024; 385: e076413; DOI: 10.1136/bmj-2023-076413