Verbrannt, geschnitten, verletzt – Narbenbeurteilung bei Kindern ist anders als bei Erwachsenen
Jede Narbe hat eine Geschichte und man sollte auf alles gefasst sein, berichtete Dr. Joel Fish, plastischer Chirurg vom Hospital for Sick Children in Toronto aus seiner langjährigen Erfahrung. Die „gleiche“ Narbe kann daher für das eine Kind banal sein und auf ein anderes tiefgreifende Auswirkungen haben. Wichtigstes Outcome bei der Behandlung von pädiatrischen Patienten mit Narben sei deshalb das subjektive Empfinden von Kind und Eltern. Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab – unter anderem:
- Wie ist die Narbe entstanden (Infektion/Trauma)?
- Gibt es assoziierte Verletzungen oder weitere Narben?
- Wie steht es um persönliche Faktoren des Patienten und der Eltern (Alter, kulturelle oder religiöse Überzeugungen)?
- Beeinträchtigt die Narbe das Kind hinsichtlich Aktivität oder Sexualität?
- Welche durch die Läsion verursachten Symptome gibt es?
- Liegen genetische Faktoren vor, die die Narbenbildung bzw. -heilung beeinflussen?
- Wie geht das Kind mit der Situation um?
Was man als Arzt sieht, muss nicht das sein, was der Patient oder dessen Familie sieht (s. Kasten), betonte Dr. Fish. Die Betroffenen schätzen die Situation in der Regel schlimmer ein, was sich auch in einer deutlichen Diskrepanz in Rating Scores äußert, so der Experte. Und gerade im pädiatrischen Setting ergeben sich zusätzliche Probleme, da z.B. die Patienten nicht für sich selbst sprechen (können), sondern die Evaluation über Angehörige erfolgt. Dementsprechend müsse man sehr gründlich sein und zusätzliche Einflussfaktoren berücksichtigen:
- Schuldgefühle bei Verletzungen: „Wie konnte ich das zulassen?“
- Zwischen dem Vorfall und der Evaluierung liegen oft Jahre.
- Die Verletzung entstand eventuell nicht im Beisein der Eltern, sondern bei entfernten Verwandten oder Freunden (rechtliche Situation).
- Kleine Kinder sind sich im Gegensatz zu den Eltern der Situation ggf. gar nicht bewusst.
Mission: Kontrolle
Make-up auf die Rötung?
Manchmal kann eine Fotodokumentation helfen, den Heilungsprozess sichtbarer zu machen, empfahl der Experte. Er riet allerdings davon ab, Vergleichsbilder anderer Patienten zu zeigen. Man wisse nie, was genau die Eltern in dem Foto sehen – auch hier sei wieder die Diskrepanz zwischen Betroffenen und Außenstehenden erwähnt. Zudem haben sich die meisten ohnehin im Internet bereits auf Bildersuche begeben. Bei z.B. noch stark geröteten Narben kann man eine kosmetische Lösung (professionell angepasstes Make-up) vorschlagen, allerdings muss dabei, insbesondere bei Eltern von Jungen, umsichtig argumentiert werden, mahnte Dr. Fish.Therapie oft schwieriger als gedacht
Subjektive Diskrepanz in der Wahrnehmung beachten
Dass – nach Meinung der Betroffenen – dringend behandlungsbedürftige Wundmale für den Betrachter kaum zu sehen sind, kommt im pädiatrischen Bereich häufiger vor, als man annimmt. „Versuchen sie aber nicht, die Narbe zu verharmlosen“, so der Tipp des plastischen Chirurgen. Auch wenn es objektiv gesehen stimmt, macht Ihnen die subjektive Diskrepanz in der Wahrnehmung ggf. einen Strich durch die Rechnung. Um Frustration zu vermeiden, sollte man dabei helfen, einen Weg zu finden, mit der Verletzung besser umzugehen – evtl. nicht von Narbe, sondern von Zeichen (engl. mark) o.Ä. zu sprechen – und die Aufmerksamkeit des Kindes davon wegzulenken. Eine Behandlung ist bei unauffälligen Läsionen nicht nötig. Dennoch empfahl der Experte, den Kontakt mit den Eltern aufrechtzuerhalten (z.B. telefonisch oder per Mail), statt sie einfach wegzuschicken. So wäre es möglich, Hilfe zu vermitteln, wenn sich ein Vermeidungsverhalten, z.B. ein zwanghaftes Verstecken, entwickelt.Quelle: SCARS 2021*
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