Thoracic-Outlet-Syndrom Verklemmtes Geflecht
Das Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS) fasst verschiedene Kompressionssyndrome der oberen Thoraxapertur zusammen. Mit 70–80 % am häufigsten betroffen sind nervale Strukturen, gefolgt von venösen (3–7 %) und arteriellen (3–5 %). Die Übrigen sind Mischformen, was die Diagnose erschweren kann. „Es dauert in der Regel mindestens vier Jahre und verbraucht mindestens sechs verschiedene Fachärzte, um an die korrekte Diagnose zu kommen“, berichtete Dr. Katja Mühlberg von der Inneren Medizin des Uniklinikums Leipzig. Grund hierfür ist die große Bandbreite der Symptome.
Sind nervale Strukturen beteiligt, treten neben Schmerzen typischerweise Par- und Dysästhesien sowie Lähmungserscheinungen auf. Bei arterieller Kompression kommt es zu Pulsverlust, Kältegefühl, Raynaud-Phänomenen, Kraftverlust und Seitendifferenz bei der Blutdruckmessung. Haben die Gefäße bereits Schaden genommen, drohen periphere Embolisationen und Ulzera. Zyanosen sprechen für eine venöse Beteiligung, bei der es zu Schweregefühl, Schwellungen und im schlimmsten Fall zur Schulter-Armvenenthrombose kommt.
Getriggert wird ein TOS beispielsweise durch das Tragen einer schweren Tasche mit herunterhängendem Arm. Dabei zieht es das Schlüsselbein in Richtung der ersten Rippe: A. subclavia und Teile des Plexus brachialis werden wie durch eine Schere eingeklemmt. Neben dieser Enge im kostoklävikulären Raum gibt es weitere: Scalenus-Dreieck, Pectoralis-minor-Raum und in seltenen Fällen direkt am Ansatz der Halsrippe (wenn eine solche vorhanden ist). Auch Fehlhaltungen, bei denen der Oberkörper und die Schultern nach vorne unten fallen, können zur Kompression entsprechender Strukturen führen.
Ein TOS tritt meist zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr auf, wobei Frauen insgesamt etwas anfälliger sind. In der Anamnese sollte man nach stattgehabten Schleudertraumata und Klavikulafrakturen fragen, riet Dr. Mühlberg. Darüber hinaus gelten Sportarten wie Schwimmen, Rudern, Bodybuilding und Gewichtheben aufgrund des starken Muskelaufbaus im Oberarm- und Schulterbereich als TOS-fördernd. „Auch die Berufsanamnese gehört bei der Diagnostik immer dazu“, betonte die Expertin. Menschen, die über Kopf arbeiten müssen, aber auch manche Musiker (z.B. Geiger), sind gefährdet.
Der typische Patient klagt über Schmerzen im Bereich des Schulterhalsdreiecks und auf der Radialisseite des Unterarms. Meist stehen die Symptome in Zusammenhang mit bestimmten Positionen, Armbewegungen oder Belastungen. Aufschlussreich ist nicht zuletzt das Erscheinungsbild des Gegenübers (Haltung, Bewegungsfreiheit, Muskulatur). Zudem gibt es typische geschlechtsspezifische Konstitutionen: Bei den Frauen trifft es eher die sehr schlanken Typen, bei den Männern die athletisch-muskulösen. Zu achten ist auch auf die Armumfänge. „Die sollten Sie tatsächlich mit dem Metermaß messen“, riet die Expertin. Denn manchmal seien auf den ersten Blick kaum eindrückliche Unterschiede wegweisend für die Diagnose.
In der Bildgebung spielt der Röntgen-Thorax eine entscheidende Rolle, v.a. wenn es um die Halsrippe geht. Anhand einer überschießenden Kallusbildung oder Pseudarthrose lassen sich stattgehabte Traumata bestätigen. Arterielle und venöse Schulterarmgefäße sind gut sonografisch zu beurteilen, jeweils in Ruhe und in Provokationshaltung (s. Kasten). Achten sollte man dabei auf Veränderung im Flussprofil sowie Stenosierungen, aneurysmatische Reaktionen und thrombotische Wandauflagerungen. Allerdings ist nicht jede provozierte Flussveränderung pathologisch, warnte die Expertin. Entscheidend für die Beurteilung sei die Zusammenschau von objektivem Gefäßbefund, Symptomatik und klinischer Reaktion während der Tests (z.B. Kribbeln, Kältegefühl, livide Verfärbung). Immer gehört auch eine neurologische Diagnostik (EMG/ENG) dazu, um z.B. ein isoliertes Karpaltunnel- oder Sulcus-ulnaris-Syndrom auszuschließen. Manchmal liegt Ersteres aber auch gleichzeitig zum TOS vor („double crush syndrome“). Die erweiterte Bildgebung umfasst MRT (u.a. zum Ausschluss von Tumoren) sowie spezielle angiografische Verfahren – Letztere sind nach Möglichkeit im Sitzen durchzuführen.
Gefäßcheck per Ultraschall
Durch gezielte Positionswechsel von Arm und Schultern kann man eine Scalenus-, Pectoralis- oder Kostoklavikular-Enge provozieren. Dazu zählen der ADSON-Test in maximaler Inspiration, der WRIGHT- und der EDEN-Test. In Provokation lassen sich dann per Duplexsono die Gefäße in diesem Bereich schallen. Für die exakte Ausführung der Tests ist es hilfreich, eine zweite Person hinzuzunehmen.
Therapeutisch lautet die Devise: konservativ vor operativ. Dies gilt v.a. bei nervaler Kompression. Patienten profitieren maßgeblich von gezielter Physiotherapie, die auch Körperhaltung, Schlafposition und Arbeitsplatzgestaltung ins Visier nimmt. Gegen die Schmerzen helfen NSAR, Muskelrelaxantien, TENS* und lokale Infiltrationstherapie. Allerdings gibt es keine evidenzbasierten Daten zu Dauer, Intensität und Frequenz der konservativen Maßnahmen. „Man weiß aber, dass es funktioniert“, so die Expertin.
Bleibt eine Besserung der Beschwerden aus oder bestehen, bzw. drohen vaskuläre Strukturveränderungen, kann man einen operativer Eingriff erwägen. Venöse Thrombosen gelten nur als relative Indikation, da man sie mit DOAK gut in den Griff bekommt. Für die OP sollte ein Zentrum mit hoher Expertise gewählt werden. „Wir erleben manchmal in der Nachsorge unserer Patienten, dass Rippenstümpfe belassen wurden, weil die Rippenresektion doch nicht so banal ist, wie man glaubt. Rippen können regenerieren und dann wieder zu ähnlichen Symptomen führen“. Zu den Risiken einer OP zählen u.a. vaskuläre und Plexusläsionen, Lymphödeme, Horner-Syndrom und Scapula alata. Das OP-Ergebnis ist in 50–93 % der Fälle gut bis zufriedenstellend. Allerdings muss sich jeder zweite Patient einem Rezidiveingriff unterziehen.
* Transkutane elektrische Nervenstimulation
Quelle: Kongressbericht 129. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin