Kutane Abwehrstrategien Verteidigung mit Haut und Haar
Treffen toxische Substanzen, Allergene oder Keime auf die Haut, steht ihnen zunächst die Epidermis im Wege. Diese physikalische Barriere wird u.a. durch Zellproliferation, Lipogenese und erhöhte Expression von Adhäsionsmolekülen aufrechterhalten bzw. wiederhergestellt. Weitere Verteidigungslinien sind die extrazelluläre Matrix, die dicht innervierte und vaskularisierte Dermis und Subcutis sowie Hautanhangsgebilde.
Darüber hinaus zählen zum Armamentarium der Haut die Pigmentierung, die antioxidative, immunzellvermittelte und mikrobielle Abwehr, neuroendokrine Funktionen und die Thermoregulation. Welche Mechanismen bei der akuten Reaktion auf Stress zum Tragen kommen, hängt vom Auslöser ab, erläutern Dr. Thierry Passeron, Hautklinik der Université Côte d‘Azur in Nizza, und Kollegen.
UV-Strahlung aktiviert fast alle beschriebenen Abwehrmechanismen. Entsprechend vielfältig sind auch die klinischen Auswirkungen: Sie reichen von trockener Haut und Juckreiz über Sonnenbrand und Fieber bis hin zur Reaktivierung von Viren (z.B. Herpes labialis) und Dermatosen (z.B. Rosazea). Dem stehen positive Effekte gegenüber wie die Vitamin-D-Synthese und die Ausschüttung von Endorphinen. Auch manche Dermatosen bessern sich durch Sonneneinstrahlung, darunter Psoriasis oder atopische Dermatitis.
Fiese Kombi aus Ozon, Feinstaub und UV-Strahlung
Luftschadstoffe – allen voran Ozon – induzieren oxidativen Stress und schädigen die Integrität der Hautbarriere, indem sie den transepidermalen Wasserverlust, den pH-Wert des Stratum corneum, das Mikrobiom der Haut und Entzündungssignale verändern. Bereits eine kurze Exposition kann zu Xerose, Juckreiz und einer Verschlimmerung von atopischer Dermatitis oder Akne führen.
Im Verbund mit Feinstaub löst UV-Strahlung möglicherweise eine akute Hautreaktion aus, die mit erhöhter Peroxidation des Gewebes und verminderten kutanen α-Tocopherol-Werten einhergeht. Auf diese Weise würde der oxidative Stress im Stratum corneum zuverstärkt. An menschlichen Hautproben konnte die synergistische Wirkung von Ozon, Feinstaub und UV-Strahlung auf oxidativen Stress und inflammatorische Veränderungen bereits nachgewiesen werden.
Bei wetterbedingtem Stress für die Haut spielen vor allem Luftfeuchtigkeit und Temperatur eine Rolle. So vermindert trockene, kalte Luft die Barrierefunktion der Haut und erhöht die Anfälligkeit gegenüber mechanischer Belastung. Zudem wird die Haut empfindlicher gegenüber Reizstoffen und Allergenen, da entzündungsfördernde Zytokine und Kortisol von Keratinozyten freigesetzt werden und die Anzahl der dermalen Mastzellen zunimmt. Bei geringer Luftfeuchtigkeit und niedrigen Temperaturen scheinen sich sowohl Prävalenz als auch Schubrisiko der atopischen Dermatitis zu erhöhen.
Zu den endogenen Faktoren, die eine akute Hautreaktion hervorrufen können, zählen u.a. psychosozialer Stress, Schlafentzug und hormonelle Schwankungen. Auch die Ernährung hat Einfluss auf das Hautbild. Der Konsum von Alkohol, heißen Getränken, scharfen Speisen, Capsaicin und Zimtaldehyd trägt über eine Aktivierung von zellulären Ionenkanälen zu Gesichtsrötungen und Rosazea bei. Kohlenhydrate mit hohem glykämischem Index, Milchprodukte und gesättigte Fette können eine Akne verschlimmern. Nahrungsmittelallergien verschlimmern mitunter eine atopische Dermatitis.
Zudem können Verfahren wie Peelings, das Spritzen von Botulinumtoxin oder Fillern sowie Laserbehandlungen eine Störung der Hautbarriere, Entzündungen, Hyperpigmentierung und eine Superinfektion der Haut hervorrufen. Topische Retinoide führen oftmals durch Veränderung der Hautbarriere – vor allem in den ersten Tagen oder Wochen – zu Hautentzündungen und -reizungen, Trockenheit und Erythemen. Topische und systemische Retinoide verändern neben der Talgmenge und -qualität auch das Mikrobiom der Gesichtshaut, Letzteres u.a. indem sie Cutibacterium acnes zurückdrängen oder eradizieren. Auch der Einsatz von Antibiotika bei Akne und akuten bakteriellen Hautinfektionen kann das Mikrobiom der Haut verändern.
Schädliche Schutzmaßnahmen in Gesundheitsberufen
Vor dem Hintergrund der Coronapandemie sind auch das Tragen von Gesichtsmasken und Handschuhen sowie häufige Händedesinfektion zu erwähnen. Diese Schutzmaßnahmen stehen Berichten zufolge bei Angehörigen von Gesundheitsberufen in Zusammenhang mit hohen Raten an unerwünschten Hautreaktionen. Dabei geht es vor allem um akute und chronische Dermatitis, Sekundärinfektionen und die Verschlimmerung bestehender Hauterkrankungen wie Akne, saisonale Gesichtsdermatitis, seborrhoische Dermatitis und Rosazea.
Quelle: Passeron T et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2021; 35: 1963-1975; DOI: 10.1111/jdv.17432