Binnengewässer und Küste Vibrio vulnificus fühlt sich mit dem Klimawandel auch in Deutschland immer wohler

Autor: Dr. Susanne Meinrenken

Vibrionen sind gramnegativ und fakultativ anaerob. Vibrionen sind gramnegativ und fakultativ anaerob. © Science Photo Library / Kon, Kateryna

Zu den „Emerging Infections“, d. h. Infektionen, die u. a. mit dem Klimawandel neu oder vermehrt auftretenden, gehört auch die mit Vibrio vulnificus. Die Zeichen der meldepflichtigen, potenziell tödlichen Infektion sollte man in der Hausarztpraxis kennen.

Immer wärmere Temperaturen von Luft und Wasser machen es verschiedenen Erregern zunehmend leicht, sich auch in Deutschland auszubreiten. Gerade während der heißen Monate im Sommer wurden Infektionen mit dem Bakterium Vibrio vulnificus bei Personen mit Vorerkrankungen beschrieben. Über den europäischen „Vibrio Map Viewer“ kann man sich tagesaktuell über Gebiete mit hohem Risiko informieren.

Autochthone Infektionen mit diesem Erreger sind derzeit hierzulande noch selten, werden aber zukünftig häufiger auftreten, betonen Daniel Linden vom Universitätsklinikum Halle und Team. Schließlich kommt das Bakterium weltweit in Süß- und Salzwasser vor und vermehrt sich bei Wassertemperaturen ab 20 °C stark, wenn zugleich ein Salzgehalt von 0,5–2,5 % vorliegt. Das daher als „halophil“ bezeichnete Bakterium gehört zusammen mit den deutlich bekannteren Vibrio cholerae zur Gruppe der gramnegativen, fakultativ anaeroben Stäbchenbakterien namens Vibrionaceae.

Vibrio vulnificus übersteht auch kältere Phasen

Wasserbedingungen, in denen sich die Vibrionen wohlfühlen, erreichen in Deutschland einige Küstengebiete der Nord- und Ostsee. Betroffen sind also vor allem Menschen in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Kühlt sich die Umgebung ab, kann Vibrio vulnificus in ein Überdauerungsstadium übergehen, in dem es nicht nachweisbar ist, und sich dann bei günstigen Bedingungen wieder vermehren. Meist schwimmt das Bakterium frei im Gewässer, kann aber auch im Inneren von am Wasser lebenden Vögeln oder Säugetieren vorkommen. Schon kleinste Hautwunden stellen potenzielle Eintrittspforten dar, was in nördlichen Breiten den wichtigsten Infektionsweg ausmacht. Im wärmeren Süden infizieren Menschen sich zudem über den Genuss kontaminierter Meeresfrüchte; in den USA sind entsprechende Todesfälle beschrieben.

Bei oraler Route entwickeln sich etwa 48 Stunden nach Aufnahme des Erregers gastrointestinale Symptome wie bei einer Magen-Darm-Infektion. An der Haut zeigen sich bereits etwa 16 Stunden oder kürzer nach dem Kontakt die ersten Symptome: Die Infektion von Haut und Weichgewebe kann lokal verlaufen, aber auch zu schweren Ödemen und tiefen Nekrosen führen. Unabhängig von der Eintrittspforte erleiden manche Betroffene eine Sepsis, die Letalität liegt dann bei bis zu 50 %. Gefährdet sind Personen höheren Alters und solche mit schweren Organerkrankungen bzw. geschwächter Immunabwehr. Gerade diese Menschen sollten, wenn sie eine offene Wunde haben, insbesondere an heißen Sommertagen weder im Binnengewässer noch an der Küste baden.

Sobald Anamnese und Symptomatik einer Diarrhö oder Hautinfektion für Vibrio vulnificus sprechen, sollte ein Erregernachweis erfolgen.

Tiefe Wundabstriche oder eine Blutkultur muss man schnellstmöglich im Labor untersuchen. Inzwischen ist auch eine Diagnostik mit PCR verfügbar. Damit die Erregersuche gezielt erfolgen kann, ist das Labor über die Verdachtsdiagnose zu informieren. Gleich nach der Materialgewinnung für die Diagnostik sollte eine passende Antibiose beginnen; empfohlen werden Cephalosporine der dritten Generation, Tetrazykline oder Fluorchinolone.

Auch die Chirurgie sollte früh miteinbezogen werden

Eine Überprüfung der Empfindlichkeit des Erregers ist erforderlich, da bei Vibrio-vulnificus-Isolaten aus der Nord- und Ostsee bereits Resistenzen nachgewiesen wurden. Wichtig ist zudem ein rasches chirurgisches Konsil, denn die tiefen Weichgewebeschäden können ein Débridement oder andere invasive Interventionen erfordern.

Quelle: Linden D et al. Z Gastroenterol 2024; 62: 1198-1200; doi: 10.1055/a-2305-2695