Hunger, Infektionen, Hitzetod: Auswirkungen des Klimawandels betreffen Kinder besonders stark
Die Kernbotschaft des diesjährigen Lancet-Klimaberichts ist eindeutig: Der Klimawandel gefährdet die Gesundheit der Menschen weltweit, insbesondere die von Kindern. Statt endloser Diskussionen sollten wir handeln, denn wir benötigen effiziente Klimaschutz-Maßnahmen, die nur durch neue Ansätze und ein Umdenken in Politik, Forschung und Wirtschaft möglich sind, fordern die rund 100 Experten, die den Report verfasst haben. Die Wissenschaftler aus weltweit führenden akademischen Institutionen, der WHO, der Weltbank, und von zahlreichen UN-Organisationen ziehen im „The Lancet Countdown on health and climate change“ eine Bilanz aus den aktuellen und künftigen Auswirkungen des Klimawandels.
Derzeitige Maßnahmen helfen maximal vorübergehend
Insbesondere bei einem Weiterwirtschaften wie bisher – und danach sieht es derzeit aus – fällt die Prognose der Experten düster aus. Die globale Erwärmung ist in erster Linie eine Folge der Nutzung fossiler Brennstoffe. Auch 2018 sind die CO2-Emissionen weiter angestiegen. Die derzeitigen Maßnahmen können die Verschlechterung im besten Falle vorübergehend aufhalten, heißt es in dem Bericht.
Im Fall des Business-as-usual-Szenarios würde der Klimawandel jedes heute geborene Kind tief greifend beeinträchtigen – und das sein Leben lang, so die Autoren. Denn es wächst dann in einer Welt auf, die verglichen mit dem vorindustriellen Durchschnitt um mehr als 4 °C wärmer ist.
Weltweiter Ertrag von Reis sinkt um 7 %
Bereits jetzt werden die Folgen des Klimawandels deutlich. Die jährlichen Ernte-Erträge sinken, pro 1 °C gestiegener Jahrestemperatur werden die Ertragsraten der vier wichtigsten Feldfrüchte Mais, Winterweizen, Reis und Soja jeweils um 6 %, 3,2 %, 7,4 % und 3,1 % sinken. Unterernährung infolge von Nahrungsmittelknappheit bedrohen insbesondere Kinder und Säuglinge. Ähnliches gilt für Durchfallerkrankungen und die Ausbreitung von Infektionskrankheiten, wie das durch Mücken übertragene Dengue-Fieber.
Krankheitserreger und ihre Vektoren dringen mittlerweile in Regionen vor, in denen es sie früher nicht gab. Stechmückenarten, die beispielsweise Gelbfieber, Zika und Dengue übertragen, fühlen sich mittlerweile nicht nur in den (Sub-)Tropen, sondern auch in Europa wohl. Keime, wie Vibrionen in der Ostsee, werden zunehmend zur Gefahr, weil sie sich aufgrund höherer Wassertemperaturen selbst zu Jahreszeiten, in denen sie früher nicht oder kaum vorkamen, schneller vermehren. Laut der Wissenschaftler hat sich seit 1980 die Anzahl der Tage verdoppelt, an denen man gemeinsam mit den Erregern von Magen-Darm- und Wundinfektionen in der Ostsee schwimmt.
Ziel des Klimaabkommens laut Experten durchaus erreichbar
Der Klimawandel beeinflusst die Gesundheit auch langfristig. Die größtenteils durch CO2-Emissionen verursachte Luftverschmutzung schädigt Herz, Lunge und weitere Organe. An den Folgen der dreckigen Luft starben 2016 weltweit insgesamt sieben Millionen Menschen, allein knapp drei Millionen durch Feinstaub.
Zusätzlich bedrohen Dürren, Überschwemmungen und andere extreme Wetterereignisse, die an Häufigkeit und Intensität noch deutlich zunehmen werden, Familien und deren Existenzgrundlage. Zwischen 2015 und 2018 waren in weltweit 77 % der Länder im Durchschnitt mehr Menschen Waldbränden ausgesetzt als die letzten 15 Jahre davor. Gleichzeitig wirken sich Temperaturanstieg und Hitzewellen verstärkt auf die Arbeitskapazität aus: 2018 gingen weltweit 133,6 Milliarden potenzielle Arbeitsstunden verloren, 45 Milliarden mehr als im Jahr 2000.
Ältere Menschen ab 65 Jahren sind besonders anfällig für die gesundheitlichen Folgen der Hitzewellen. Weltweit waren im vergangenen Jahr 220 Millionen ältere Menschen Hitzewellen ausgesetzt, im Rekordjahr 2015 waren es 209 Millionen. Durch die alternde Bevölkerung, verstärkte Landflucht und die steigende Prävalenz von Herzerkrankungen und Diabetes wird diesbezüglich vor allem Europa die Konsequenzen der Hitze zu spüren bekommen.
Hirn, Herz und Nieren weichgekocht
Quelle: Watts N et al. Lancet 2019; 394: 1836-1878; DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(19)32596-6